Die Ära der Sanktionskriege

Ein Artikel von German Foreign Policy vom 17. Juli 2019

Berlin und Brüssel suchen nach Gegenmaßnahmen gegen extraterritoriale US-Sanktionen, 
wie sie die Regierung Trump zunehmend verhängt ‒ unter anderem gegen Kuba

https://amerika21.de/files/a21/styles/page-grid-6-flexible-height/public/img/2019/cuba_caricatura_helms-burton.jpg?itok=w-aeI1sC

Quelle: martirena

Bei den extraterritorialen Sanktionen handelt es sich um einseitig beschlossene Boykottmaßnahmen, die die US-Regierung weltweit durchzusetzen versucht, um auch andere Staaten inklusive ihrer Verbündeten auf ihren außenpolitischen Kurs festzulegen. Prominentestes Beispiel sind die Iransanktionen, die unter anderem das Irangeschäft deutscher Unternehmen weitgehend unmöglich gemacht haben. Extraterritoriale Sanktionen hatte Washington bereits Mitte der 1990er Jahre erstmals in Kraft gesetzt, sich dann aber mit der Europäischen Union (EU) geeinigt, sie nicht gegen Firmen aus Europa einzusetzen. Dies hat die Obama-Administration geändert und milliardenschwere Strafen von Banken aus der EU eingetrieben. Die Trump-Administration dehnt die extraterritorialen Sanktionen nun auf Russland und Kuba aus. Regierungsberater aus Berlin schlagen nach dem Scheitern des Finanzvehikels INSTEX juristische Schritte vor US-Gerichten vor. Diskutiert werden darüber hinaus „asymmetrische Gegenmaßnahmen“.

Extraterritoriale Sanktionen unter Clinton…

Mit extraterritorialen Sanktionen hatte Washington bereits in den 1990er Jahren versucht, seine westlichen Verbündeten unilateral auf seine außenpolitische Linie festzulegen. Damals verhängte die Clinton-Administration Sanktionen gegen Kuba, Irak, Iran sowie Libyen, die es US-Bürgern und -Unternehmen selbst dann untersagten, Geschäfte mit diesen Ländern zu machen, wenn sie über in US-Besitz befindliche Ableger außerhalb der Vereinigten Staaten abgewickelt wurden. Darüber hinaus sollten auch im Ausland hergestellte Waren nicht mehr in die genannten Länder ausgeführt werden dürfen, sofern sie einzelne US-Bauteile enthielten. Als schärfste Ausformung galt damals der „Helms-Burton-Act“, der am 12. März 1996 mit der Unterzeichnung von US-Präsident William Clinton in Kraft trat und das Embargo gegen Kuba weiter zuspitzte. Die US-Maßnahmen führten damals zu einem heftigen Streit nicht zuletzt mit der EU, die noch 1996 ihr Blocking Statute verabschiedete; es verbietet es Unternehmen, die in der EU ansässig sind, bei Strafe, den Sanktionen von Drittstaaten Folge zu leisten. Zu einer echten Kraftprobe zwischen der Union und den USA kam es damals allerdings noch nicht: Schon 1998 erklärte sich Washington zum Einlenken bereit und sagte zu, keine Schritte gegen Firmen aus der EU einzuleiten.

…, unter Obama und unter Trump

In größerem Maßstab wirklich durchgesetzt hat Washington extraterritoriale Sanktionen erst unter der Präsidentschaft von Barack Obama. Im Jahr 2010 leiteten mehrere US-Stellen, darunter das Justizministerium, Untersuchungen gegen ausländische Banken ein, denen sie Verstöße gegen die unilateral verhängten Iran-Sanktionen der Vereinigten Staaten vorwarfen. Ein Prozess gegen die Commerzbank endete im Jahr 2015 damit, dass das deutsche Kreditinstitut 1,45 Milliarden US-Dollar in einem Vergleich zahlen musste: Es hatte Geschäfte mit der iranischen Staatsreederei IRISL Group getätigt.1 Die französische BNP Paribas verlor in einem ebensolchen Verfahren sogar 8,9 Milliarden US-Dollar. Die damaligen Erfahrungen haben dazu geführt, dass sich deutsche Unternehmen nach der erneuten Verhängung der US-Sanktionen durch die Trump-Administration umgehend aus Iran zurückzogen; diese Maßnahmen haben genauso wie diejenigen unter Obama extraterritoriale Wirkung.2 Die Trump-Administration ist mittlerweile dazu übergegangen, extraterritoriale Sanktionen, die ebenfalls deutsche Firmen treffen, auch gegen Russland zu verhängen. Deutsche Wirtschaftskreise sprechen von Milliardenverlusten 3).

Helms-Burton Act, Abschnitt III

Washingtons jüngster Schritt liegt zwei Monate zurück. Am 2. Mai trat Abschnitt III des „Helms-Burton Act“ in Kraft, den seit der Verabschiedung des Gesetzes im Jahr 1996 alle US-Präsidenten wegen der internationalen Proteste regelmäßig ausgesetzt hatten. US-Präsident Donald Trump hatte zu Jahresbeginn angekündigt, mit dieser Praxis zu brechen. Abschnitt III sieht vor, dass US-Bürger das Recht haben, US-amerikanische, aber auch ausländische Unternehmen zu verklagen, wenn sie Liegenschaften nutzen, die vor der kubanischen Revolution US-Amerikanern gehört hatten und nach der Revolution verstaatlicht wurden. Erste Klagen gegen Firmen aus der EU sind inzwischen eingereicht worden. So haben die Erben eines einstigen Grundbesitzers, dessen kubanische Liegenschaften enteignet worden waren, kürzlich den spanischen Hotelkonzern Meliá verklagt, der auf den enteigneten Grundstücken – in voller Übereinstimmung mit kubanischem Recht – Hotels betreibt. Weil die Klage in Spanien eingereicht wurde, basiert sie juristisch nicht auf dem Helms-Burton Act; doch ziehen die Anwälte ihn zur argumentativen Begründung ihres Anliegens explizit heran.4 Darüber hinaus haben zwei Nachkommen einer Familie, der vor der Revolution ein Hotel auf Kuba gehörte, gegen die Hotelsuchmaschine Trivago geklagt. Trivago – mit Sitz in Düsseldorf – hatte Zimmer in dem Hotel vermittelt, das ebenfalls enteignet worden war und heute rechtmäßig von Meliá betrieben wird. Die Klage gegen Trivago ist in Florida eingereicht worden; sie basiert auf dem „Helms-Burton Act“.56