Putschversuch in Venezuela


Putschversuch in Venezuela gescheitert

Bewaffnete Soldaten vor Militärflughafen in Caracas. Guaidó und López rufen zu Staatsstreich auf. Regierung mobilisiert Anhänger. Deutschland hält zu US-gesteuerten Putschisten.

Von André Scheer

Putschisten am Dienstag auf einer Autobahnbrücke unweit des Mili
Ariana Cubillos/AP/dp Putschisten am Dienstag auf einer Autobahnbrücke unweit des Militärflughafens La Carlota in Caracas

In Venezuela ist am heutigen Dienstag ein Putschversuch gescheitert. Wie die Regierung von Präsident Nicolás Maduro am Vormittag (Ortszeit) mitteilte, habe man die Revolte von wenigen Dutzend Uniformierten besiegen können. Diosdado Cabello, Präsident der Verfassunggebenden Versammlung, wandte sich gegen 11 Uhr Ortszeit an die vor dem Präsidentenpalast Miraflores versammelten Anhänger der Regierung und kündigte an, dass die Verantwortlichen der heutigen Ereignisse zur Rechenschaft gezogen würden.

Am frühen Morgen waren der selbsternannte »Übergangspräsident« Juan Guaidó und der wegen Anstiftung zur Gewalt verurteilte und aus dem Hausarrest entkommene Leopoldo López in Begleitung von bewaffneten und uniformierten Soldaten vor dem Militärflughafen La Carlota in Caracas erschienen. In einer als Video im Netz und von kolumbianischen Fernsehsendern verbreiteten Botschaft rief Guaidó das Militär auf, sich gegen Maduro zu erheben. »Der 1. Mai hat heute begonnen«, erklärte er. Bisher hatte er seine Unterstützer für den morgigen Tag der Arbeiter zu einer Großdemonstration mobilisiert.

Sprecher der Regierung, aber auch eine vor Ort befindliche Reporterin des Fernsehsenders Telesur wiesen Berichte des kolumbianischen Propagandasenders NTN 24 und anderer Kanäle zurück, wonach Guaidó und López das Gelände von La Carlota betreten oder den Flughafen gar »besetzt« hätten. Sie hielten sich vor den Grenzen des Geländes auf einer nahegelegenen Autobahn auf. Das Gebiet selbst sei »unter vollständiger Kontrolle der Bolivarischen Revolution«, betonte Cabello. In allen anderen Gebieten herrsche absolute Ruhe.

Während es in einigen Teilen der Hauptstadt offenbar zu spontanen Versammlungen von Oppositionellen kam, herrschte in anderen Landesteilen Normalität. Das bestätigten Einwohner in den Bundesstaaten Vargas und Barinas gegenüber junge Welt.

Die obersten Befehlshaber der venezolanischen Streitkräfte, unter ihnen Verteidigungsminister Vladimir Padrino López, stellten sich umgehend auf die Seite der verfassungsmäßigen Regierung. »Die Nationalen Bolivarischen Streitkräfte bleiben standfest bei der Verteidigung der Nationalen Verfassung und ihrer rechtmäßigen Autoritäten. Alle Militäreinheiten berichten von Normalität in den Kasernen und Militärstützpunkten unter dem Befehl ihrer natürlichen Kommandeure«, teilte Padrino López bereits kurz vor sieben Uhr Ortszeit mit. Wenige Minuten später schrieb er: »Wir weisen diese Putschistenbewegung zurück, die das Land mit Gewalt erfüllen will. Die politischen Pseudoführer, die sich an die Spitze dieser subversiven Bewegung gestellt haben, haben Soldaten und Polizisten mit Kriegswaffen auf einer öffentlichen Straße der Stadt positioniert, um Angst und Schrecken zu verbreiten.« Auch Präsident Maduro teilte mit, er habe mit den Kommandeuren aller Militärbezirke Kontakt aufgenommen, alle stünden an der Seite der rechtmäßigen Regierung. Er appellierte an die Bürger, »Nerven aus Stahlseilen« zu haben: »Wir werden siegen!«

Venezuelas Regierung rief die internationale Solidaritätsbewegung auf, umgehend Erklärungen gegen den laufenden Putschversuch zu veröffentlichen und über die tatsächlichen Ereignisse zu informieren. Boliviens Präsident Evo Morales reagierte umgehend und verurteilte den Putschversuch durch die »ausländischen Interessen unterworfene Rechte«. Er sei überzeugt, dass sich die Bolivarische Revolution mit dem »Bruder Nicolás Maduro« an der Spitze gegen diesen neuen Angriff des Imperiums durchsetzen werde. Auch Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel und sein Außenminister Bruno Rodríguez sprachen der rechtmäßigen Regierung Venezuelas ihre Unterstützung aus.

In der Bundesrepublik rief der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele zur Solidarität mit der Bolivarischen Revolution aus: »Ausgerechnet den 1. Mai, den Kampftag der Arbeiterklasse, will der US-Imperialismus mit seiner Marionette Guaidó für den Putsch in Venezuela nutzen. Das wäre aus ihrer Sicht die tiefstmögliche Demütigung des Volkes in Venezuela, das nun seit Monaten den Putschisten und deren Freunden in den USA, der EU und Deutschland trotzt. Wir rufen alle auf, die sich dem Diktat der USA, der herrschenden Klassen der imperialistischen Länder nicht beugen wollen, ihre Solidarität mit Venezuela, gegen die Putschisten auf die Straße zu tragen.«

Die US-Administration solidarisierte sich dagegen mit den Putschisten. US-Vizepräsident Michael Pence schrieb an Guaidó und das »freiheitsliebende Volk, das heute in der Operation Freiheit auf die Straße geht«, dass »Amerika« an deren Seite stehen werde, »bis Freiheit und Demokratie wiederhergestellt« seien. Auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) stellte sich trotz des offenen Putschversuchs erneut auf die Seite der Opposition. »Unsere Unterstützung für Juan Guaidó hat sich in keiner Weise geändert«, sagte der SPD-Politiker am Dienstag in Brasilia nach einem Gespräch mit dem brasilianischen Außenminister Ernesto Araujo. Er hoffe, dass die Lage friedlich bleibe.

EU-Urheberrechtsreform im EU-Parlament beschlossen

Vordergründig sorgt man sich um das Urheberrecht. In Wirklichkeit geht es um etwas anderes. Wir verlinken hier einen Videobeitrag und den zugehörigen Artikel von KenFM.

Pressefreiheit und Demokratie gehören zusammen, auch wenn wir beides nicht wirklich haben. Wir leben in einer repräsentativen Demokratie und unsere Relotius-Medien sind dank Framing mit gigantischen Scheuklappen versehen, bei denen stets ein Feindbild angeboten wird, um von den Defiziten des eigenen Systems abzulenken. Umso wichtiger wurde in den letzten Jahren das Netz. Hier entstand eine globale eliten- und systemkritische Presse, aber vor allem verlor der Staat seine Monopolstellung, wenn es um die allgemeine politische Deutungshoheit geht. Die an der Basis gewonnene Freiheit passt den alten Machtzirkeln gar nicht und so bemüht man sich seit Jahren um ein Zurückdrängen der durch Technologie errungenen Meinungsvielfalt. Wie geschieht das? Indem man ein trojanisches Pferd namens Urheberrecht von der Leine lässt. Auf einmal entdeckt der Gesetzgeber sein Herz für Künstler. Wie können sich diese Menschen davor schützen, dass Dritte sie zitieren oder Teile ihrer Werke benutzen, um damit ein neues Werk zu schaffen, wird scheinheilig gefragt?! Wenn der in Brüssel ausgeheckte Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform durchgewunken wird und im Anschluss sogenannte Upload-Filter greifen, müssen die „armen“ Pentagon-Konzerne wie YouTube, Google und Facebook leider jeden Inhalt, den sie für urheberrechtlich nicht geklärt halten, sperren. Da die Filter weder das Zitatrecht noch Satire oder eine andere Form des künstlerischen Umgangs mit Inhalten Dritter kennen, wird so über die Hintertür das eingeführt, was man bisher schlicht Zensur nannte. „Sorry“, sagen dann die Datenkraken aus den USA, „ist nicht unsere Schuld. Da muss sich der User bei den Politikern der EU bedanken.“ Die setzen sich plötzlich für das Urheberrecht ein. Dieselben Politiker scheren sich doch spätestens seit dem NSA-Abhörskandal einen Dreck um das Grundrecht auf ein nicht abgehörtes Leben. Jeder kann und wird von eben diesen Konzernen, die jetzt den Upload-Filter einführen „müssen“ ausspioniert und stellt seine Daten im Rahmen der Nationalen Sicherheit der USA jederzeit der CIA zur Verfügung. Das alles wird in der aktuellen Debatte um Art. 13 überhaupt nicht diskutiert. Und richtig lächerlich machte sie Wikipedia, als es aus Protest gegen Art. 13 für eine Tag mit seinem „Angebot“ offline ging. Dabei ist bei Wikipedia das Filtern, also verhindern von Wahrheiten, längst Alltag. Wer bei diesem NATO-Lexikon der Pentagon-Wahrheit widerspricht, bekommt eine 1A-Rufmord-Bio verpasst, gegen die er sich nicht wehren kann. Um damit sich der Kreis schließt, ist Wikipedia vom Upload-Filter ausgeschlossen und kann sich auch in Zukunft darauf verlassen, dass Google das „Hetzikon“ immer als Quelle Nr. 1 verlinkt. KenFM war in Berlin auf der Straße, um Stimmen von Menschen auf einer Demo einzufangen, die versuchen, sich gegen Art. 13 zu wehren. Einige haben die Agenda durchschaut, andere nicht. Das Kamera-Team war vor Ort zudem von vielen Demonstranten und auch Bundestagsabgeordneten umgeben, die für Meinungsfreiheit auf die Straße gehen, aber explizit KenFM kein Interview geben wollten oder auch die Arbeit des Teams erschwert haben. Wiederum andere Teilnehmer haben uns, ebenfalls „off the record“, gesagt, dass sie sich auf der Veranstaltung aufgrund einer massiven „Anti-Haltung“ sehr unwohl gefühlt haben. Da entsprechendes Video-Material nicht vorliegt oder die Verwendung untersagt wurde, spiegelt der Beitrag das nicht wider.

Die Völkerrechts-Verächter

Die Tagesschau liefert die propagandistische Begleitmusik
zur rechtswidrigen deutschen Venezuela-Politik

Von Volker Bräutigam, Friedhelm Klinkhammer

Rubikon – 5. März 2019

Brennende LKW auf kolumbianischer Seite beim
                    Versuch der USA und Guaidós, die Einführung
                    "humanitärer Hilfe" nach Venezuela zu
                    erzwingen. ARD-o-Ton: "Hilfsmittel brennen, es
                    gibt Tote, das heißt, wir haben jetzt einen
                    legitimen Grund, um weitere Sanktionen einzuführen
                    oder vielleicht sogar eine militärische
                    Intervention..."

Brennende LKW auf kolumbianischer Seite beim Versuch der USA und Guaidós, die Einführung „humanitärer Hilfe“ nach Venezuela zu erzwingen. ARD-o-Ton: „Hilfsmittel brennen, es gibt Tote, das heißt, wir haben jetzt einen legitimen Grund, um weitere Sanktionen einzuführen oder vielleicht sogar eine militärische Intervention…“

Quelle: albaciudad

Deutsche Politik im Bezug auf Venezuela und das Völkerrecht — gibt es da nichts Problematisches, nichts Anstößiges? Nichts von nachrichtlichem Wert? Sind ein Bruch mit der UN-Charta und grundgesetzwidrige Politik kein Thema für die Tagesschau? Die Bundesregierung hat wie zahlreiche andere Staaten einen „selbsternannten Übergangspräsidenten“ Venezuelas, Juan Guaidó, als amtierenden Staatschef anerkannt. Dieser Treppenwitz der Weltgeschichte sei „völkerrechtlich ein Novum“ gewesen, stellt die Initiative Nachrichtenaufklärung zurückhaltend fest und unterstreicht zugleich das Versagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, speziell der Tagesschau: Die juristische Problematik der deutschen Venezuela-Politik sei vollkommen außer Betracht geblieben.

Regelmäßig macht die Initiative Nachrichtenaufklärung e.V. (INA), die Öffentlichkeit auf Themen und Nachrichten aufmerksam, die von den deutschen Massenmedien vernachlässigt werden. Vorschläge dazu werden an mehreren Hochschulen in Deutschland geprüft. Die Jury der INA beurteilt anschließend die Relevanz der Themen und wählt daraus die „Top Ten der vernachlässigten Nachrichten“ aus. Ihre neueste Liste stellte jetzt der Deutschlandfunk vor.

Der Sender erwähnt an erster Stelle das Freihandelsabkommen der EU mit Japan, JAFTA; an Position zwei folgt die umfangreiche Sammelei personenbezogener Daten von Fluggästen, die in der EU unterwegs sind. Die Nr. 3 erwähnte der regierungsfromme Deutschlandfunk bezeichnenderweise aber nicht mehr: Die ignorante Weigerung der Massenmedien, sich den Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Venezuela-Politik zu widmen. Darauf wies nur der „Tagesspiegel“ hin.

Während die Ereignisse in Lateinamerika auf breites Interesse der deutschen Bevölkerung stoßen, haben unsere Massenmedien über die staatsrechtlichen Zusammenhänge und Probleme faktisch nichts oder nur irreführend und tendenziös berichtet. Die Tagesschau hatte im Rahmen der medialen Desinformationskampagne Vorreiterfunktion. Zweimal gutachteten die Juristen der Wissenschaftlichen Dienste des deutschen Bundestags, dass die vorschnelle formelle Anerkennung Guaidós „völkerrechtlich bedenklich“ sei, eine höflich-vorsichtige Umschreibung für mutmaßliche Rechtswidrigkeit. Die Tagesschau interessierte das nicht, diese Information tauchte lediglich in ihrem Internet-Format auf. In einer Nische, Rubrik: Inland.

Der Grund für die marginale Behandlung des Skandals: Chefredakteur Dr. Gniffke lässt seine Qualitätsjournaille der Bundesregierung nicht lästig werden. Die Expertisen des Wissenschaftlichen Dienstes erlauben den Schluss, dass Bundeskanzlerin Merkel und Heiko Maas, der größte Außenminister aller Zeiten, mit der Guaidó-Anerkennung auf internationalem Parkett einen Grand Pas de deux in Rechtsbeugung aufführten.

In den Fernsehnachrichten für die deutschen Wohnzimmer wurde die Problematik sorgfältig ausgespart. Dort klangen die Ansagen über Guaidó nur wie der aggressive Stil von Regierungserklärungen, Bürgerkriegsgefahr in Venezuela hin oder her. Zur agitatorischen Falschinformation der Tagesschau gehört der von ihr vermittelte Eindruck, die politische Entwicklung und die humanitäre Krise in Venezuela seien Auswirkungen einer demokratisch nicht legitimierten Amtsführung des Präsidenten Maduro. Dem Mann werden, wenn nicht wortwörtlich, so doch indirekt, autokratische Vorgehensweisen unterstellt. Das ist Tagesschau-Nachrichtenfälschung und Irreführung im großen Stil.

Die ARD-aktuell-Redaktion hätte berichten müssen, dass Maduro legal und in einer von den UN überwachten, sauberen Wahl mit Zwei-Drittel-Mehrheit im Amt bestätigt ist. Sie hätten unmissverständlich anmerken müssen, dass es völkerrechtlich indiskutabel ist, ihm, wie geschehen, die Legalität seiner Amtsausübung abzusprechen. Zu seiner Mehrheit war er gelangt, weil die zerstrittenen Oppositionsparteien sich nicht auf einen Gegenkandidaten verständigen konnten und die Wahl lieber „boykottiert“ hatten. Der Boykott machte die Wahl aber nicht illegal.

ARD-aktuell hätte darüber informieren müssen, dass die Opposition bei der nachfolgenden Parlamentswahl zwar eine Drei-Viertel-Mehrheit erreichte, sie aber nicht zu legislativer Arbeit nutzte, sondern zu einer Serie verfassungswidriger Vorstöße, so dass schließlich das Oberste Gericht Venezuelas – nicht Maduro! – es für notwendig hielt, diese Volksvertretung aufzulösen. Die Ironie des legalen Prozedere ist, dass Maduro daraufhin ersatzweise eine Nationalversammlung einberief, in der sich sein Gegner Guaidó profilieren konnte …

Als Guaidó, zwar in die Nationalversammlung gewählt, aber durch nichts fürs Amt des Staatschefs legitimiert1, sich selbst zum Präsidenten Venezuelas erklärte, war das nach allgemein üblichem Rechtsverständnis – und nach venezolanischem wie auch nach deutschem Recht – Hochverrat. Als er die Armee zur Meuterei und zum Sturz der Regierung Maduro aufforderte, war das ein weiterer Akt des Hochverrats. Als er sich in den USA und mit den Geheimdienstlern anderer lateinamerikanischer Staaten über eventuelle militärische Interventionen vom Ausland her verständigte, war das Landesverrat.

Guaidó krönte schließlich seine politkriminelle Karriere mit der Selbsternennung zum „Übergangspräsidenten“, der die USA, Kanada sowie die rechtskonservativ bis autoritär regierten Staaten der Lima-Gruppe zur Invasion Venezuelas einlud und von Kolumbien her gewaltsame Massendemonstrationen und Grenzverletzungen organisierte.

Wer sich solcher Straftaten schuldig macht, landet in zivilisierten Ländern ganz legal und sofort hinter Gittern. Maduro aber gestand seinem Gegner bisher Immunität als Parlamentarier zu. Entspricht das dem Vorgehen eines diktatorischen Machtmenschen? Doch über so Grundsätzliches informierte ARD-aktuell mit keinem Wort.

Die Tagesschau berichtete zwar breit über das Treffen Guaidós mit US-Vizepräsident Pence und der Lima-Gruppe. Dabei erwähnte sie aber nicht, dass die 14 Staaten der Lima-Gruppe keine Mehrheit in der 34 Mitglieder zählenden Organisation Amerikanischer Staaten, OAS, darstellen, sondern deren rechtslastiger Flügel sind. Die OAS hat hingegen Interventionen in Venezuela mehrheitlich abgelehnt. Die Tagesschau berichtete nicht, dass das mit weitem Abstand bevölkerungsreichste Land Südamerikas, nämlich Brasilien, sich ausdrücklich gegen jede Einmischung der USA in Venezuela aussprach:

„Die Position Brasiliens ist ein Kontrapunkt gegen eine eventuelle Aktion der USA zur Verteidigung einer Intervention in Venezuela. Brasilien hat kein Interesse an einem bewaffneten Konflikt in einem Nachbarland“2.

Das passte eben nicht in den transatlantischen Propagandakram der ARD-aktuell. Erst recht nicht eine Aussage dazu, dass die Bundesregierung, indem sie einem politischen Hochstapler und selbsternannten Präsidenten formelle Anerkennung zollte, nicht nur Ignoranz gegenüber dem Völkerrecht bewies, sondern auch grundgesetzwidrige Politik macht:

Artikel 25 – Völkerrecht:

„Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes“.

Auch wenn die USA und die Schar der ihr hörigen Vasallen, EU-Staaten inklusive, den „Übergangspräsidenten“ Guaidó, den Typ Ladenschwengel, offiziell „anerkennen“, so ist der Mann für die UNO doch nach wie vor ein Niemand. Weder in der UN-Vollversammlung noch gar im Weltsicherheitsrat dürfte er Platz nehmen. In seiner beengten Rolle als Staatsfunker sieht Chefredakteur Dr. Kay Gniffke für sich und sein Qualitätsjournalistenteam aber offenbar keine Möglichkeit, von der konformistischen Regierungslinie abzuweichen: Guaidó ist auf Tagesschau-Deutsch „Übergangspräsident“, wenn auch zumeist noch mit dem Beiwort „selbsternannt“. Eine Lachnummer, in jeder Hinsicht, auch der journalistischen.

Völkerrechtsbruch? Gibt es nur bei den anderen. Vor allem bei den Russen. Die Bundesregierung ist immer sauber. Sauberer geht gar nicht. Auf die Berliner Demokratiedarsteller lassen die Gniffkes unserer Tage nichts kommen.

Die feindselige ARD-aktuell-Propaganda gegen die sozialistischen Regierungen Venezuelas hat eine lange Geschichte, wie ein Journalist des Internet-Portals Amerika21 in einem Brief an die Chefredaktion beklagt:

„Wenn ich es kurz zusammenfassen müsste, würde ich sagen, dass die ARD-Berichterstattung einen extremen Oppositions-Bias aufweist und der von der Opposition verbreitete Diktatur-Frame unkritisch und ungeprüft reproduziert wird. … Anders als bei den privaten Medien gehört der Schutz partikularer Interessen, etwa von privilegierten Bevölkerungsgruppen und privaten Unternehmern, nicht ausdrücklich zur redaktionellen Grundlinie. Ebenso wenig sind Sie darauf angewiesen, die Auslandsberichterstattung ausschließlich mit Kriegen, Krisen und Katastrophen zu bestreiten. Für die Zuschauer besteht bei Ihnen gewissermaßen ein Anspruch auf eine ausgeglichene Berichterstattung…“.

Natürlich erzielte dieses Schreiben bei Gniffke keine Wirkung, es landete wie so viele andere im Papierkorb. Die Tagesschau-Berichterstattung blieb unverändert einseitig. Hinsichtlich des aktuellen Konflikts erreichte sie einen neuen Tiefpunkt: Sie versucht, dem deutschen Zuschauer weiszumachen, in Venezuela finde ein „Machtkampf“ zwischen der US-Marionette Guaidó und dem gewählten Präsidenten Maduro statt. Das überhöht Guaidós Position und Möglichkeiten ins Maßlose. Das Stichwort „Machtkampf“ fehlt trotzdem in den meisten Ansagetexten nicht und ziert regelmäßig die Hintergrund-Illustrationen zur Venezuela-Berichterstattung. Selbst jetzt noch, obwohl inzwischen jeder Klippschüler sehen kann, dass sich der „Übergangspräsident“ als grandioser Flop erwiesen hat.

Grundsätzlich unerwähnt bleibt in der Tagesschau, dass Quisling Guaidó nur Washingtons Ziel dient, wieder räuberischen Zugriff auf die Ölvorkommen Venezuelas zu bekommen. Es fehlt jeder Hinweis auf den Hintergrund der feindseligen Politik Washingtons: Die USA hielten Venezuela bis 1999 praktisch in kolonialer Abhängigkeit, und US-Konzerne hatten ungehinderten Zugriff auf das Öl des Landes – bis Hugo Chávez Präsident wurde, sie aushebelte und die Ölförderung verstaatlichte. Sein unverzeihlicher „Fehler“: Die Erlöse aus dem Ölgeschäft nutzte er zur Versorgung und Bildung seiner Landsleute. Typisch Sozialist!

Seit jenen Tagen versuchen die US-Regierungen beider Couleur, Republikaner ebenso wie Demokraten, die sozialistische Bewegung Venezuelas zu bezwingen und ihre Regierungen zu stürzen. Erstmals gewaltsam schon im Jahr 2002, und danach immer wieder. Das Instrumentarium: Schwerwiegende Wirtschaftssanktionen, Putschversuche, Finanzierung und Steuerung gewaltbereiter Oppositionsparteien der Wohlhabenden und Besserverdiener, Sabotageakte, Attentate.

Auch davon kein Wort in der Tagesschau: Der langjährige Sonderberichterstatter des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen, Alfred de Zayas, hat erst vor wenigen Tagen empfohlen, der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag solle die Wirtschaftssanktionen der USA gegen Venezuela als mögliches Verbrechen gegen die Menschlichkeit untersuchen. Solche bedeutenden Hinweise unterschlägt die ARD-aktuell gewohnheitsmäßig und routiniert.

In den vergangenen fünf Jahren haben die US-Sanktionen Venezuela von den meisten Finanzmärkten abgeschnitten. Das bewirkte erhebliche Rückschläge in Ölproduktion und -verkauf. Der globale Ölpreisverfall besorgte den Rest. Venezuelas Bürger erlitten den schlimmsten jemals registrierten Rückgang des Lebensstandards aller Länder Lateinamerikas. Auf diese Sachlage hebt die Tagesschau-Berichterstattung kritisch ab, nicht aber auf die objektiven Ursachen – und schon gar nicht zeigt sie auf den Verursacher: den schändlichen Erpresser und Hegemon USA. Die unstreitige Völkerrechtswidrigkeit der von Washington verfügten Sanktionen war einfach kein Thema für die Hamburger Qualitätsjournalisten. Die legen größten Wert auf den strammen Sitz ihrer Scheuklappen.

Die Mainstream-Medien rechnen den wirtschaftlichen Verfall Venezuelas nicht der imperialistischen Politik der USA zu, sondern kreiden sie der Regierung Maduro an. Auch die ARD-aktuell betreibt diese Hetze und steigert von Deutschland her die internationale Aufmerksamkeit für die Protestbewegung der angeblich „hungernden Bevölkerung“ – wiewohl die meisten Fernsehbilder zeigen, dass es gutgenährte Mittelschichtler sind, die da auf den Straßen der Hauptstadt Caracas krakeelen. Aber was schert deutsche Staatsfunker die Objektivität oder gar die Armut der indigenen Venezolaner, wenn es gilt, die Ideale der Westlichen Werte Gemeinschaft, WWG, ins rechte Bild zu setzen?

Typischer ARD-aktuell o-Ton:

„… Hilfsmittel brennen, es gibt Tote, das heißt, wir haben jetzt einen legitimen Grund, um weitere Sanktionen einzuführen oder vielleicht sogar eine militärische Intervention .. man kann den USA berechtigt unterstellen, dass sie tatsächlich helfen wollen, die Not in Venezuela ist groß, die Menschen leiden Hunger… Auf der anderen Seite ist es ebenso richtig zu sagen, dass die USA eigene wirtschaftliche Interessen haben in Venezuela, es ist ein ölreiches Land, es gibt schon lange Öl- beziehungsweise Wirtschaftsbeziehungen mit Venezuela. Und der US-Sicherheitsberater John Bolton hat es gesagt, dass es natürlich für die USA interessant wäre, jetzt diese Wirtschaftsbeziehungen zu vertiefen mit einer neuen Regierung Guaidó, also insofern ist es hier auf der einen Seite der Wunsch der USA jetzt zu helfen, dem kann man glauben, aber auf der anderen Seite stehen auch massive Wirtschaftsinteressen dahinter …“.

Solch dümmliches, realitätsfernes und verfälschendes Gestammel in miesem Deutsch darf sich eine veritable ARD-Studioleiterin (!) tatsächlich erlauben? Und das wird gesendet? Das macht auch abgehärtete Zeitgenossen fassungslos. Xenia Böttcher betreibt blütenreine AgitProp im Rahmen einer Tagesschau-Sendung. Sie bewegt sich genau im „Frame“ der Bundesregierung: Die USA wollen doch nur helfen, helfen, helfen, aber der böse „Machthaber“ Maduro lehnt die Hilfe ab, zum Schaden seiner hungernden Bürger. Eigeninteresse der USA? Freilich, schon, schon, ein kleines bisschen Eigeninteresse ist zwar dabei, aber, aber, aber hauptsächlich dient doch alles der Wiederbelebung der Wirtschaft Venezuelas … Die ARD-Korrespondentin scheut sich nicht einmal, einem Kriegseinsatz das Wort zu reden.

Beweislos rechnet Xenia Böttcher der Maduro-Regierung die Gewaltexzesse an der Grenze zu Kolumbien zu. Sie recherchiert nichts, sie hinterfragt nichts; Filmbelege und Zeugenaussagen, die ihrer vorgefassten Meinung entgegenstehen, ignoriert sie. Sie nimmt ungeniert in Kauf – der Platzhirsch ARD hat die Deutungshoheit, es besteht keine Gefahr –, dass professionell arbeitende Journalisten ihre Lügengeschichten entlarven.

Ihr Geschwätz über die angeblich hungernden Venezolaner: ein Propaganda-Versatzstück, das in den ARD-aktuell-Darbietungen selten fehlt. Verschwiegen wird hingegen, dass die USA mit ihrer Sanktions- und Embargopolitik gezielt die medizinische Versorgung der Bevölkerung untergruben. Das, und nicht angebliche Lebensmittelknappheit, war zur tödlichen Gefahr geworden. Washington hatte den Venezolanern ein ähnliches Schicksal wie den Jemeniten zugedacht: Sollten sie doch krepieren. Es nimmt nicht Wunder, dass ARD-aktuell Informationen darüber unterschlug, dass Russland helfend einsprang und jetzt mit der Lieferung von hunderten Tonnen Medikamenten zumindest die Grundversorgung wiederherzustellen sucht.

Trump, Bolton, Pompeo, Merkel, Maas und Konsorten wäre es anscheinend lieber gewesen, die Russen hätten die Venezolaner siechen lassen, denn das war der Zweck der Washingtoner Sanktionen. Die Inhumanität und Amoralität dieser Politikerbande kondensiert in einem Satz, den Donald Trump kurz nach seinem Amtsantritt im Jahr 2017 über Venezuela fallen ließ:

„Das ist das Land, gegen das wir in den Krieg ziehen sollten. Sie haben alles Öl und sind direkt an unserer Hintertür“.

Auch John Boltons optisch hervorgehobene Ankündigung einer militärischen Intervention, eines völkerrechtswdrigen Überfallkrieges gegen Venezuela, fand keine Erwähnung seitens Dr. Gniffkes Qualitätsjournaille. Trumps nationaler Sicherheitsberater hatte gut sichtbar auf einem mitgeführten Schreibblock notiert: „5.000 Soldaten nach Kolumbien.“ Mit dieser Kriegsansage war er in eine Pressekonferenz gegangen. Drohende Bolton-Adresse an Maduro während eines Rundfunkinterviews:

„Gestern habe ich getwittert, dass ich Ihnen einen langen und ruhigen Rückzugsort an einem schönen Strand weit weg von Venezuela wünsche. Und je früher Sie diese Gelegenheit nutzen, desto wahrscheinlicher ist es, dass Sie einen schönen, ruhigen Rückzugsort an einem schönen Strand anstelle eines anderen Küstenstrichs wie Guantánamo haben werden“ (19).

Solche menschenfeindlichen Bösartigkeiten, obwohl weltbewegend, übergeht die Tagesschau großmütig. Schweigen bei der ARD-aktuell auch, als US-Senator Marco Rubio am 24. Februar 2019 einen widerwärtigen Tweet veröffentlichte, der nur als Morddrohung gegen Venezuelas Präsidenten Nicolas Maduro aufgefasst werden konnte: Der Tweet zeigt ein Foto des libyschen Staatschefs Muammar Gaddafi aus einer Zeit, als er noch im Amt war, sowie – Muster: „vorher / nachher“ – ein weiteres Foto von der verstümmelten Leiche des viehisch grausam ermordeten Libyers, aufgenommen am Ende des US-geführten NATO-Vernichtungskriegs gegen sein Land. Mit der Brutalität und Primitivität führender US-amerikanischer Knallchargen darf die ARD-aktuell ihr deutsches Publikum natürlich nicht beunruhigen. Es könnte die indifferent liebedienerischen transatlantischen Beziehungen unserer in Berlin residierenden Lakaientruppe bloßlegen …

Wie überhaupt der deutsche Fernsehnachrichten-Konsument vor Informationen zu schützen ist, die ihm Rückschlüsse darauf erlauben, wohin die US-hegemoniale Reise geht, und mit wem. Als Beauftragten für die „Wiedereinführung der Demokratie in Venezuela“ – welch ein Hohn auf Realität und menschliche Vernunft steckt allein schon in dieser Nomenklatur – ernannte das Weiße Haus Elliott Abrams: ein Polit-Ganove, der während der Reagan-Administration schlimmste Menschenrechtsverletzungen der USA in El Salvador förderte und rechtfertigte. Er setzte sich auch für Militärhilfe an Diktator Ríos Montt in Guatemala ein. In jener Zeit organisierte er zudem die illegalen Waffenlieferungen der CIA an die Contra-Rebellen in Nicaragua. Ein intriganter Lump. Wegen Falschaussage vor dem Kongresss wurde er zwar verurteilt, aber schon kurz darauf begnadigt.

Was die Berufung dieser üblen Figur ins Amt eines Venezuela-Demokratiebeauftragten der USA über das Weiße Haus aussagt, verschleierte ARD-aktuell mit der pseudo-ironischen Phrase

„Auch die Berufung von Elliott Abrams als Sondergesandter erinnert an alte Zeiten“.

Das Trio Bolton, Adams und US-Außenminister Mike Pompeo hat die Unterwerfung Venezuelas, vulgo: „Demokratisierung“ im Auftragsbuch. Vertragsbrüchige, kriminelle Lügner und Kriegshetzer sollen den Venezolanern Freiheit und Wohlstand bringen – und der Qualitätsjournaille in der ARD-aktuell fällt zu all den Ungeheuerlichkeiten nur dümmlich Nichtssagendes ein. Ein beruflicher Offenbarungseid. Nicht der erste – und sicher nicht der letzte.

Der Beitrag erschien am 5. März 2019 bei Rubikon

  • 1. Guaidó stützt sich auf eine Übergangsregelung in der venezolanischen Verfassung, die juristische Fachwelt hält sein Konstrukt nicht für tragfähig
  • 2. Stellungnahme des brasilianischen Vize-Präsidenten, General Mourão, Brasil247, 25.2.19

Quelle: Rubikon

Das alte CIA-Szenario

Gefahr auch für Telesur

Multinationales TV-Projekt in Venezuela durch Umsturzpläne der Contras bedroht

Von Volker Hermsdorf

Leslie Mazoch/AP Photo

»Stimme des Südens«: Eine der Auftaktsendungen von Telesur im Oktober 2005 in Caracas

Der von den USA organisierte Putsch gegen die Regierung Venezuelas hat nach Einschätzung des Journalisten Aram Aharonian neben dem Zugriff auf Erdöl und andere Bodenschätze auch das Ziel, den alternativen Informationskanal Telesur abzuschalten. In einem Beitrag des linken Onlineportals Rebelión bezeichnete der Mitbegründer und ehemalige Telesur-Vizepräsident den mehrstaatlichen Fernsehsender am Mittwoch vergangener Woche als »das bisher wichtigste strategische Kommunikationsprojekt in Lateinamerika und der Karibik«.

Wohl gerade deshalb wird der im Juli 2005 auf Initiative von Fidel Castro und Hugo Chávez als Alternative zu globalen westlichen Mediengiganten geschaffene Sender, der sich selbst als »Stimme des Südens« bezeichnet, seit seiner Gründung von lateinamerikanischen Medienmogulen und US-Politikern attackiert. Jetzt ist Telesur erneut ins Fadenkreuz der Putschisten, deren eigene Fake News täglich durch Überprüfung der Fakten entlarvt werden, geraten. Lateinamerikanische Linke schlagen deshalb Alarm. Die argentinische Journalistin Stella Calloni ruft zur Unterstützung des Senders auf, »damit das gesagt werden kann, was geschieht und wovon niemand etwas weiß«. Sie fordert Kollegen in aller Welt dazu auf, über die »Realitäten« zu berichten, »die in den Schlagzeilen nicht auftauchen«. »Wo können wir uns noch informieren, wenn Telesur zerstört wird?« warnt auch Aharonian.

Als Korrektiv zu den Berichten privater Medienkonzerne wie »Grupo Globo« (Brasilien) und »Grupo Clarín« (Argentinien), den US-Nachrichtengiganten CNN oder der britischen BBC, ist Telesur für viele Beobachter unentbehrlich geworden. Solide recherchierte Hintergrundberichte über die Folgen der US-Sanktionen und der gegen Venezuela verhängten Finanzblockade oder die Verbreitung von Fotos brandschatzender Krimineller, die von den Mainstreammedien als »pazifistische Oppositionelle« dargestellt werden, durchkreuzen das Manipulationskonzept der Putschisten. Für Washington und die lateinamerikanische Rechte ist der Nachrichtensender deshalb vor allem ein störendes Bollwerk gegen die eigene bellizistischen Propaganda, aber auch ein gefährliches Medium, das, so spottet Aram Aharonian, »den Virus der Bolivarischen Revolution« verbreitet.

Angriffe auf kritische Medien gehören in Venezuela seit rund 20 Jahren zum Repertoire der Rechten. Zu den ersten Aktionen der Opposition beim Staatsstreich vom 11. April 2002 gegen den 1998 gewählten Präsidenten Hugo Chávez gehörte deshalb auch die Bombardierung des staatlichen venezolanischen Fernsehens. Andrés Izarra, Nachrichtendirektor des Privatsenders RCTV, bezeugte später vor der Nationalversammlung, dass er von Marcel Granier, dem Besitzer des Senders, die Anweisung erhalten hatte, am Tag des Putsches und den folgenden »keine Informationen über den entführten Präsidenten Hugo Chávez, seine Anhänger, Minister und alle anderen, die mit ihm in Verbindung gebracht werden könnten« zu senden. Die beherrschenden Medien behaupteten statt dessen wahrheitswidrig, Chávez sei zurückgetreten. Während dessen Anhänger in Massen auf die Strassen strömten, sendeten die privaten Fernsehsender rund um die Uhr »Tom und Jerry«, Unterhaltungsmusik oder Seifenopern.

Seit das drei Jahre später gegründete TV-Projekt Telesur derartige Manipulationen erschwert, ist der Fernsehsender selbst zur Zielscheibe der Reaktion geworden. Als Nicolás Maduro nach dem Tod von Hugo Chávez am 14. April 2013 zum neuen Präsidenten gewählt worden war, griffen bewaffnete Contras einen Tag später eine Reihe alternative Radio- und Fernsehsender in verschiedenen Provinzen des Landes an. Auch die Telesur-Zentrale war ein Ziel des Mobs. Bei von der Opposition provozierten Ausschreitungen im Frühjahr 2014 richtete sich die Wut der Extremisten dann ebenfalls gegen Journalisten und Mitarbeiter des Senders, der dem Meinungsmonopol der Konzernmedien hartnäckig zusetzte. Und bei einem weiteren Putschversuch im Februar 2015 erklärten Regierungsgegner die Telesur-Zentrale in Caracas sogar zum »taktischen Bombardierungsziel«. Nach dem gescheiterten Staatsstreich warf Nicolás Maduro der US-Botschaft vor, in die Umsturzpläne verwickelt zu sein. Die beabsichtigte Bombardierung von Telesur entspreche der bekannten US-Strategie, und das Ausschalten kritischer Medien gehöre zum Standardrepertoire prowestlicher Putschisten beim »Regime-Change«.

Das bestätigen Erfahrungen aus Europa und dem Nahen Osten. So legten NATO-Bomber am 23. April 1999 die Zentrale des staatlichen serbischen Radio- und Fernsehsenders Radio Televizija Srbije (RTS) in Schutt und Asche und töteten 16 Mitarbeiter. Die US-Luftwaffe bombardierte 2001 die Büros des Fernsehsenders Al-Dschasira (englisch Al Jazeera) in Kabul und 2003 die in Bagdad. Als Telesur und Al Jazeera etwas später ein Kooperationsabkommen vereinbarten, warnte der US-Abgeordnete Cornelius McGillicuddy alias Connie Mack vor »der Schaffung eines weltweiten Fernsehsenders für Terroristen«. Dieser Hinweis wurde nicht nur von den Putschisten in Venezuela dankbar aufgegriffen. Warum der Sender gerade jetzt wieder zur Zielscheibe geworden ist, versteht, wer den spanischen (https://www.telesurtv.net/) oder englischsprachigen Dienst (https://www.telesurenglish.net/ ) des Nachrichtensenders verfolgt.

junge Welt, 28. Februar 2019

Faktencheck Venezuela

Was in deutschen Medien über das südamerikanische Land verbreitet wird – und wie es tatsächlich aussieht

Von André Scheer

Andres Martinez Casares/Reuters

Maulkorb für Medien? Wenn der selbsternannte »Übergangspräsident« Juan Guaidó den Mund aufmacht, wird er von Reportern belagert

»Maduros Herrschaft ist diktatorisch, er hat keine demokratische Legitimation, und die Mehrheit der Bevölkerung steht nicht hinter ihm. Er kann sich nur noch auf das Militär stützen.«

Nicolás Maduro ist zweimal zum Präsidenten Venezuelas gewählt worden, 2013 und 2018. Die Wahl im vergangenen Jahr entsprach in ihren Regularien exakt der Parlamentswahl 2015, die von der Opposition gewonnen worden war und deren Legitimität allgemein anerkannt ist. Neben Maduro, der 67,84 Prozent der abgegeben Stimmen gewinnen konnten, gab es drei Kandidaten. Der Sozialdemokrat Henri Falcón kam auf 20,93 Prozent, der evangelikale Prediger Javier Bertucci auf 10,82 Prozent. Lediglich 0,39 Prozent der Voten entfielen auf den linken Basisaktivisten Reinaldo Quijada, der allerdings auf jeden echten Wahlkampf verzichtet hatte. Die Wahlbeteiligung war mit 46,02 Prozent niedrig. Das lag auch daran, dass eine Reihe von Oppositionsparteien zum Boykott aufgerufen hatte. Wären diese Parteien mit einem gemeinsamen Kandidaten angetreten, hätten sie durchaus Chancen gehabt, Maduro zu schlagen.

Die Umstände der Wahl waren in einem Abkommen festgelegt worden, das Vertreter von Opposition und Regierung bis Anfang 2018 unter internationaler Vermittlung ausgehandelt hatten. Allerdings verweigerten die Oppositionellen im letzten Augenblick die Unterschrift unter das fertige Abkommen. Der frühere spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero, der an den Verhandlungen als Vermittler beteiligt gewesen war, reagierte darauf Anfang Februar 2018 mit einem Brief, den die in Caracas erscheinende Tageszeitung Últimas Noticias veröffentlichte. Das ausgehandelte Abkommen habe die über Monate verhandelten Themen aufgegriffen, unter anderem »einen Wahlprozess mit Garantien und einen Konsens über das Datum der Wahlen«.

»Maduro hat das Parlament aufgelöst und entmachtet und regiert nun gänzlich unkontrolliert. Mit der Verfassung des Landes ist das unvereinbar.«

Venezuelas Parlament ist nicht aufgelöst worden, sondern arbeitet. Erst Anfang Januar wurde ein gewisser Juan Guaidó von den Abgeordneten der Oppositionsparteien zu dessen Präsident gewählt.

Richtig ist allerdings, dass die Beschlüsse der Nationalversammlung nach Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (TSJ) »null und nichtig« sind, weil sich das Parlament weigert, mehrere Urteile der Richter umzusetzen. Das begann bereits unmittelbar nach der Wahl 2015, als die Richter nach Einsprüchen die Bestätigung von vier gewählten Abgeordneten aus dem Bundesstaat Amazonas – drei der Opposition und einer der Regierungspartei PSUV – aussetzten. Trotzdem wurden die drei Regierungsgegner vom Parlamentspräsidium vereidigt und nahmen an den Abstimmungen teil. Daraufhin stellten die Richter fest, dass die unter diesen Bedingungen gefassten Beschlüsse ungültig seien. Im Juli 2017 bekräftigten die Richter diese Entscheidung in einem weiteren Urteil, in dem sie die Ernennung neuer Richter durch das Parlament aufgrund der Nichteinhaltung des in der Verfassung dafür festgelegten Verfahrens für ungültig erklärten.

»Maduro hat sein Land mit Konzeptlosigkeit und Korruption in den Abgrund geführt. Mit Sozialismus hat das nichts zu tun.«

Venezuela ist nach wie vor ein kapitalistisches Land. Das hat auch Hugo Chávez in seinem letzten Wahlprogramm 2012 – das nach dessen Tod 2013 von Nicolás Maduro wortwörtlich übernommen wurde – betont: »Täuschen wir uns nicht, die sozioökonomische Ordnung, die in Venezuela noch vorherrscht, ist kapitalistischen und Rentencharakters.«

Seit seiner Amtsübernahme 2013 sieht sich Maduro einem eingebrochenen Ölpreis gegenüber. Da der Brennstoff jedoch nach wie vor das Hauptexportgut Venezuelas ist, sind die Staatseinnahmen dramatisch zurückgegangen. Verschärft wurde die Krise durch einen regelrechten Wirtschaftskrieg privater Handelskonzerne, die Waren zurückhielten. Supermärkte waren leer, viele Lebensmittel gab es nur noch auf dem Schwarzmarkt zu kaufen. Das hat sich geändert, inzwischen sind die Geschäfte wieder voll – allerdings sind die Preise durch die Inflation so hoch, dass sie sich nur Wohlhabende leisten können. Hinzu kommen vor allem ab 2017 die immer weiter verschärften Sanktionen durch die USA und – in geringerem Ausmaß – durch die Europäische Union. Sie machen es Caracas nahezu unmöglich, Waren auf dem Weltmarkt regulär einzukaufen, weil der Zahlungsverkehr über die meist in den USA sitzenden Finanzinstitutionen blockiert ist.

Was man dem Präsidenten vorwerfen kann, ist, dass es lange keine wirksamen Maßnahmen gegen die sich immer weiter verschärfenden Probleme gegeben hat. Regelmäßige Lohnerhöhungen wurden durch die Inflation aufgefressen, wirtschaftspolitische Maßnahmen blieben Stückwerk und widersprüchlich. Erst in der jüngsten Zeit scheint man Wege gefunden zu haben, mit Hilfe befreundeter Länder die ausländische Blockade zu umgehen. Tatsächlich sind Berichten zufolge in den vergangenen Tagen und Wochen die Preise für Lebensmittel und andere Waren teilweise gesunken.

»Mit Ausnahme von Russland und China fehlt Maduro auf internationaler Ebene jeglicher Rückhalt, sein Regime ist praktisch isoliert.«

In der vergangenen Woche bildete sich bei den Vereinten Nationen in New York eine Gruppe von rund 60 Staaten der Welt, die sich für die Verteidigung der UN-Charta einsetzen wollen – in klarer Unterstützung Venezuelas gegen die von den USA geführte Aggression. Demgegenüber haben weltweit nur etwa 40 bis 50 Regierungen den Oppositionspolitiker Juan Guaidó als »Präsidenten« anerkannt. Hinter Maduro gestellt haben sich dagegen nicht nur die linken Regierungen Lateinamerikas, sondern auch die Karibikgemeinschaft Caricom und der südafrikanische Staatenbund SADC. Wichtige Handelspartner sind und bleiben Indien, der Iran, die Türkei und andere. Selbst in der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) haben die USA und die venezolanische Opposition keine Mehrheit für eine Anerkennung Guaidós finden können. Auch UN-Generalsekretär António Guterres betonte, dass der einzige rechtmäßige Präsident Venezuelas Nicolás Maduro ist. Mexiko und Uruguay bemühen sich um eine Vermittlung ohne ausländische Einmischung.

»Kritische Medien haben unter Maduro keine Chance, sie werden geknebelt und unterdrückt.«

Kaum tritt in Venezuela ein Oppositionspolitiker öffentlich auf, ist er sofort von Dutzenden Mikrofonen umlagert. Es gibt in Venezuela 16 private Fernsehkanäle und mindestens 18 private Radio-Senderketten, die oft mehrere parallele Programme ausstrahlen. Hinzu kommen viele lokale Gemeindesender. Dem stehen drei landesweite Staatssender – VTV, TVes und Vive – gegenüber sowie weitere nur lokal oder über Kabel verbreitete Programme, darunter der internationale Nachrichtensender Telesur. Allerdings hat die Telekommunikationsbehörde Conatel die Verbreitung mehrerer ausländischer Sender in den Kabelnetzen unterbunden. Betroffen davon ist zum Beispiel der kolumbianische Kanal NTN 24, der sich zum Sprachrohr der militanten Regierungsgegner gemacht hat. Problemlos zu empfangen sind nach einer aktuellen Aufstellung von Kabelnetzbetreibern nach wie vor Fox und Voice of America aus den USA; die britische BBC, die Deutsche Welle und andere. Interessanterweise macht aber der private Anbieter »Super Cable« seinen Kunden Sender wie TV Bolivia, Cubavisión, das chinesische CCTV oder das iranische Hispan TV nicht zugänglich, im Gegensatz zum staatlichen Betreiber CANTV.

Massenhaft verbreitet sind auch in Venezuela Internetseiten und »soziale Netzwerke«. Immer wieder gibt es Zensurvorwürfe. So beklagte das Internetportal Aporrea.org zuletzt, dass es nicht mehr uneingeschränkt erreichbar sei. Allerdings fallen auch staatliche Seiten wie die Homepage der Tageszeitung Correo del Orinoco oder die Angebote von Radio Nacional de Venezuela häufig aus. Ob es sich also um administrative Eingriffe oder technische Probleme handelt, ist unklar.

Probleme haben in den vergangenen Jahren Zeitungen und Zeitschriften gehabt, denn infolge der Wirtschaftskrise und der vor allem von den USA verhängten Sanktionen ist es für die Verlage immer schwieriger geworden, an das notwendige Papier zu kommen. Deshalb haben Oppositionsblätter wie Tal Cual oder El Nacional ihre gedruckten Ausgaben eingestellt, andere – zum Beispiel El Universal – erscheinen ungehindert weiter. Betroffen davon sind aber nicht nur die Organe der Opposition. Im vergangenen Jahr musste die Zeitung der Kommunistischen Partei Venezuelas, Tribuna Popular, ebenfalls ihre Druckausgabe aufgeben und erscheint seither nur noch digital. Mehrere staatliche Publikationen haben den Umfang ihrer Ausgaben eingeschränkt oder wurden ganz eingestellt.

»Das Regime hat an der Grenze zu Kolumbien mit Gewalt verhindert, dass humanitäre Hilfe ins Land gelangt. Sicherheitskräfte versuchen, jede Unruhe skrupellos im Keim zu ersticken.«

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat deutlich gemacht, dass es sich nicht um humanitäre Hilfe handelte, sondern um eine politische Aktion. Auch die Vereinten Nationen verweigerten eine Beteiligung an der Show.

Zwischen 20.000 und 50.000 Personen sollten nach Angaben der Opposition durch die Lieferungen für zehn Tage versorgt werden. Selbst wenn das stimmt ist das verschwindend wenig verglichen mit den sechs Millionen CLAP-Lebensmittelpaketen, die monatlich in Venezuela vertrieben werden. Nach unabhängigen Angaben beziehen inzwischen rund 90 Prozent der Bevölkerung diese subventionierten Grundnahrungsmittel.

Hilfslieferungen erreichen Venezuela auf vielen Wegen, unter anderem geliefert aus Russland und China. Mit der EU hat Caracas Unterstützung im Wert von zwei Milliarden Euro vereinbart, die über die UNO ins Land kommen soll. Venezuela konnte aber nicht akzeptieren, dass eine politische Gruppe ohne Kontrolle einen Konvoi mit unbekannter Ladung über die Grenze bringt.

Die Fernsehbilder zeigen zudem, dass die Gewalt an der Grenze nicht von den venezolanischen Sicherheitskräften ausging. Kolumbianische Sender übertrugen live, wie Vermummte Molotowcocktails befüllten und Steine auf die Soldaten warfen. Von kolumbianischer Seite wurden sie daran nicht gehindert.junge Welt 28. Februar 2019

Was hat Haiti mit Venezuela zu tun?

Wie hängen die Unruhen in Haiti mit dem US-Putschversuch in Venezuela zusammen?

Gewalttätige Proteste gegen Korruption erschüttern Haiti. Die Diebe in der Regierung können sich der Unterstützung Washingtons sicher sein. Dass die Unruhen in Haiti sehr viel mit Venezuela und der US-Politik zu tun haben, wird in Mainstream-Medien tunlichst verschwiegen.

Von Rainer Rupp.

Haiti wird weiterhin von zivilen Unruhen und Massenprotesten erschüttert, in denen der Rücktritt des Präsidenten Jovenel Moïse gefordert wird, vor allem wegen Korruption und galoppierender Inflation, was vor allem die Armen noch ärmer macht. Aber im Unterschied zu weitaus weniger dramatischen Protesten in einem anderen Land, welche einige hundert Kilometer weiter südlich in Venezuela geschehen, hat sich im Fall Haiti die Regierung in Washington geschlossen hinter das bis in die Zehenspitzen korrupte Regime in Haiti gestellt. Und das, obwohl sich die Lage in dem karibischen Inselstaat derart gefährlich zugespitzt hat, dass das US-Außenministerium alle amerikanischen Bürger aufgefordert hat, Haiti auf Grund der „Verbrechen und Unruhen“ umgehend zu verlassen.

Aber selbst die Flucht scheint inzwischen eine gefährliche Angelegenheit für die auf Haiti lebenden Amerikaner zu sein. Denn um zu einem Hafen oder über die Landgrenze in die Dominikanische Republik zu kommen, müssen sie laut der Warnung des US-Außenministeriums vielerorts errichtete Straßensperren überwinden, an denen sich der kriminelle Mob zusammengerottet hat, um vorbeikommende Weiße auszurauben und/ oder zu misshandeln. Denn aus Gründen, die weiter unten im Text klar werden, geben viele der aufgebrachten Haitianer den US-Amerikanern die Schuld an ihrer Misere.

Derweil hat John Bolton, der nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten, am Samstag in einer Erklärung alle Seiten in Haiti dazu aufgerufen, „ihre Demokratie zu respektieren und zu schützen“ – das ist mehr als nur ein bisschen ironisch, wenn man bedenkt, dass Haiti, das seit über hundert Jahren unter besonderer „Obhut“ der USA steht, nur auf dem Papier eine „Demokratie“ ist.

Zugleich gab Bolton, der sonst die meiste Zeit damit verbringt, den Sturz von wirklich demokratisch gewählten Regierungen wie die von Präsident Maduro in Venezuela zu planen, in einer Twitter-Nachricht bekannt, dass er sich am Freitag letzter Woche mit dem haitianischen Außenminister getroffen habe. Dabei habe er „ihm die anhaltende Unterstützung der Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Freundschaft mit Haiti zum Ausdruck gebracht.“ Er forderte ferner „alle politischen Akteure auf Haiti auf, einen Dialog zu führen und der politischen Gewalt ein Ende zu setzen“.

In Boltons Erklärungen zu Venezuela sucht man allerdings vergeblich nach Aufforderungen an alle Seiten zum Dialog und der Beendigung politischer Gewalt. Einfach bewundernswert, mit welcher Leichtigkeit die US-Regierungsvertreter im Brustton moralischer Überlegenheit mit zweierlei Maß messen.

Die zunehmend gewalttätigen Demonstrationen, die inzwischen auch eine unbekannte Zahl an Toten gefordert haben, haben seit Ende letzter Woche die Region um die wichtigste Stadt im Land, Port-au-Prince, lahmgelegt. Die Proteste werden von einem chaotischen Cocktail (1) aus politischen Kräften befeuert, dies hat nicht nur, aber auch mit Venezuela und der Krise dort zu tun. Sie richten sich vor allem gegen ein erschreckend hohes Maß an Korruption in Zusammenhang mit billigem Öl aus Venezuela, für dessen Diebstahl sie die Regierung und Präsident Jovenel Moïse direkt verantwortlich machen.

Die schlimmsten Befürchtungen wurden im Januar dieses Jahres in einem Gerichtsbericht über die massiven Veruntreuungen (2) der ermäßigten Öl-Lieferungen Venezuelas für Haiti im Rahmen des PetroCaribe-Programms bestätigt. Der Bericht benennt unter anderen eine Reihe von Einzelpersonen, die Mitglieder der Moïse-Regierung sind. Er folgt einem parlamentarischen Bericht, der vor mehr als einem Jahr veröffentlicht wurde und zum großen Teil die gleichen Vorwürfe abdeckte. Aber die Regierung hat alle Vorwürfe unbeantwortet gelassen und überhaupt nicht darauf reagiert.

Aber was verbirgt sich hinter dem PetroCaribe-Programm Venezuelas? Was dabei für Haiti auf dem Spiel steht, beschreibt Ariel Fornari von Haiti Analysis (3). Demnach unterstützt Venezuela seit mehr als einem Jahrzehnt die Regierungen von Haiti und der Dominikanischen Republik durch ein bevorzugtes Öl-Lieferungssystem, das als PetroCaribe bezeichnet wurde. Mit Rohölpreise, die weit unter den Weltmarktpreisen lagen, deckten die venezolanischen Lieferungen den kritischen Energiebedarf der Länder ab.

Laut PetroCaribe-Ölabkommen brauchten die Regierungen Haitis und der Dominikanischen Republik nur 60 Prozent des Öl-Marktpreises bezahlen. Die restlichen 40 Prozent könnten über einen Zeitraum von 25 Jahren zu einem Zinssatz von 1 Prozent finanziert werden, solange die Ölpreise über 40 US-Dollar pro Barrel blieben. Dies ermöglichte enorme Einsparungen für die Empfängerländer. Laut Vereinbarung im PetroCaribe-Abkommen sollte auch die Regierung in Haiti das ersparte Geld für soziale Zwecke, zum Beispiel für Schulen und Krankenhäuser, verwenden.

Weiter erfährt man bei Haiti Analysis, dass Länder wie Nicaragua, Jamaika, Kuba und viele andere Inseln in der östlichen Karibik mit Hilfe der PetroCaribe-Fonds und andere venezolanische Unterstützungsmechanismen erfolgreich gewirtschaftet haben und viel in wichtige Infrastruktur sowie ins Bildungs- und Gesundheitswesen investiert haben. Mit diesen Mitteln aus den PetroCaribe-Fonds konnten auch berüchtigte Knebelabkommen mit dem Internationalen Währungsfonds und anderen verwandten, internationalen Raubtier-Finanzinstitutionen vermieden werden.

Nur mit den korrupten Politikern in Haiti und in der Dominikanischen Republik, deren Regime eng mit Washington verbandelt sind, hat das nicht geklappt. Denn der größte Teil des für soziale Zwecke bestimmten Geldes ist in die privaten Taschen der Regierenden geflossen.

Aber damit nicht genug, seit Monaten stand die Moïse-Regierung unter zunehmendem Druck ihres Mentors in Washington, die Beziehungen zu Venezuela zu kappen. Anfang dieses Monats führte das dazu, dass die haitianische Regierung den von Washington ernannten „Präsidenten“ Guaidó anerkannte. Das hat die Wut vieler Haitianer auf der Straße nur noch weiter angeheizt, denn ihnen war klar, welche Folgen das für die Ölversorgung ihres Landes haben würde.

Quellen:

  1. https://theglobalamericans.org/2019/02/is-haiti-unraveling/
  2. https://www.newyorker.com/news/news-desk/haitians-want-to-know-what-the-government-has-done-with-missing-oil-money
  3. http://haitianalysis.com/2019/02/11/haitian-and-dominican-governments-betray-venezuela-at-the-oas-popular-sectors-mobilize-for-resistance/

Mediale Kriegsvorbereitung at it’s best!

Wieder soll ein Krieg mit einer Lüge begonnen werden. Aber diesmal ist das von den USA inszenierte Kasperl-Theater so erbärmlich, wie selten zuvor: Nachdem Washington jahrelang durch Sanktionen, der Provokation gewaltsamer Auseinandersetzungen und Drohungen versucht hat Venezuela gefügig zu machen, soll jetzt, nachdem Gold und Bankguthaben Venezuelas auf ausländischen Banken in Höhe von mehreren Milliarden Dollar widerrechtlich blockiert wurden, ein brennender LKW mit angeblichen Spenden für die Bevölkerung den Vorwand für einen militärischen Angriff auf das Land liefern. Wahrscheinlich der billigste und lächerlichste Vorwand, den die US-Kriegsstrategen sich jemals ausgedacht haben. Traurig nur, dass viele Menschen, selbst eine so angesehene Vereinigung wie der „Marburger Bund“ eine berufsständische Organisation deutscher Ärzte darauf hereinfällt. Nachfolgend zwei aktuelle Beiträge zum Thema Venezuela.

Venezuela: „Wenn man schon aus humanitären Gründen Forderungen stellt, dann die, dass die internationale Blockade beendet wird“

Amerika21 dokumentiert den Brief von Dr. Klaus Piel zum Aufruf des Marburger Bundes, Berufsverband und Fachgewerkschaft für Ärzte in Deutschland.

Liebe KollegInnen vom Marburger Bund,

mir wurde Ihr Aufruf [siehe unten] zur Lage in Venezuela zugesandt.

Wenn Sie diesen Aufruf an die Regierungen der USA, Englands, Spaniens und anderer Staaten richten, bin ich voll damit einverstanden.

Wie Sie vielleicht wissen, ist es Venezuela durch eine rigide Blockade kaum noch möglich, ausreichende Mengen an Medikamenten und Nahrungsmitteln auf dem Weltmarkt zu kaufen. Erst neulich blockierte die spanische Regierung eine Lieferung von rund 200.000 Medikamenten, die für Venezuela bestimmt waren, ohne nähere Begründung. Das berichten Medien des südamerikanischen Landes. Demnach stoppte die spanische Fluggesellschaft Iberia die aus Qatar stammende Ladung– unter anderem Insulin und Mittel gegen Bluthochdruck – auf Druck der Regierung in Madrid.

Wie das Portal Misión Verdad berichtet, ist dies nicht das erste Mal, dass die Lieferung lebenswichtiger Medikamente nach Venezuela durch ausländische Regierungen gestoppt wird. So verhinderte Kolumbien im November 2017 den Export von Malaria-Medikamenten aus Indien nach Venezuela und begründete das mit der von den USA verhängten Finanzblockade. Im gleichen Monat hatte die Citibank venezolanische Finanzmittel eingefroren, die zur Bezahlung von Insulin-Importen vorgesehen waren. Die Schiffe mit der entsprechenden Ladung wurden in ausländischen Häfen festgehalten. Von Seiten der Fluggesellschaft Iberia oder der spanischen Regierung wurde die Blockade der Lieferung von Medikamenten nach Venezuela bislang weder bestätigt noch dementiert. Andere Lieferungen kommen an. Wie am Donnerstag gemeldet wurde, erreichte ein Schiff mit 933 Tonnen Medikamenten und medizinischer Ausrüstung aus China, Kuba und von der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (OPS) den Hafen von La Guaira unweit der Hauptstadt Caracas. Der Frachter transportierte 64 Container mit mehr als 18 Millionen Medikamenten, unter anderem Impfstoffe, Antibiotika und Spezialnahrung für Schwangere. Zudem erreichten das südamerikanische Land 22.575 Ersatzteile für medizinische Geräte und viele weitere dringend benötigte Waren.

Desweiteren werden Finanztransaktionen und der normale Zahlungsverkehr durch die US-Blockade fast unmöglich gemacht, Venezuela kann seine bestellten Waren, sei es Medikamente, Nahrungsmittel oder Anderes nicht mehr bezahlen. Die Bank von England weigert sich mit fadenscheinigen Gründen venezolanisches Gold im Werte von 550 Millionen Dollar zu repatriieren.

Die Taz berichtete am 29.1.2019: „Die US-Regierung verschärft den wirtschaftlichen Druck auf Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro. Erstmals verhängte sie Sanktionen auf die Ölgeschäfte, die zwischen Venezuela und den USA abgewickelt werden. ‚Wir erwarten, dass mit den Maßnahmen sieben Milliarden Dollar an Vermögen und mehr als elf Milliarden Dollar an Exporterlösen in den kommenden zwölf Monaten blockiert werden‘, sagte US-Sicherheitsberater John Bolton.“

Im Wesentlichen scheint es mir so zu sein wie bei der Belagerung einer mittelalterlichen Burg. Man bewirkt Mangel, Elend, Krankheit und Tod, damit es zu einer Aufgabe oder zu einer Revolte kommt. Man boykottiert die Lieferung von Medikamenten und Lebensmitteln, um sagen zu können, Maduro mit seinen sozialen Programmen könne als Sozialist nicht wirtschaften. Man schafft Elend, um „humanitär“ eingreifen zu können, da der Staat ja handlungsunfähig sei und eine humanitäre Katastrophe drohe. Schlimmer geht´s nimmer.

Also, wenn man schon aus humanitären Gründen Forderungen stellt, dann die, dass die internationale Blockade beendet wird, um den venezolanischen Staat wieder handlungsfähig zu machen. Das ist viel wirksamer als das, was die westlichen Staaten, letztlich als trojanisches Pferd, in viel kleinerem Umfang anbieten. Viele Analysten sagen, dass diese humanitäre Karte nur gezogen wurde, um einen Grund für eine sogenannte humanitäre Intervention zu bekommen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an den früheren US-Präsidentenberater Zbigniew Kazimierz Brzeziński und seine Weltpolitik als großes Schachspiel.

Mit kollegialen Grüßen

Ihr

Dr.med. Klaus-U. Piel

Facharzt für Innere Medizin


Marburger Bund – Bundesverband

Solidarität mit Ärztinnen und Ärzten in Venezuela – Patienten brauchen medizinische Hilfslieferungen

Der Marburger Bund ruft die Verantwortlichen in Venezuela auf, so schnell wie möglich den Weg für medizinische Hilfslieferungen freizumachen. Er solidarisiert sich mit den Ärztinnen und Ärzten und anderen Beschäftigten im venezolanischen Gesundheitswesen und ihren Patientinnen und Patienten.

Die medizinische Versorgung in dem südamerikanischen Land hat sich in den vergangenen Monaten drastisch verschlechtert. Es fehlt vor allem an Medikamenten und Hilfsmitteln, vielfach auch an medizinischem Personal. Darauf hat u.a. der Weltärztebund in mehreren Erklärungen immer wieder hingewiesen. Es gibt Berichte, denen zufolge Patientinnen und Patienten dem Mangel an Medikamenten zum Opfer gefallen sind.

„Die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen in Venezuela, die trotz der Krise im Land geblieben sind und ihren Beitrag zur gesundheitlichen Versorgung leisten, verdienen unsere Anerkennung und Solidarität. Wo immer es möglich ist, muss auf nationaler und internationaler Ebene alles dafür getan werden, dass die politische und wirtschaftliche Krise nicht in eine noch größere humanitäre Katastrophe übergeht“, sagte Rudolf Henke, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes.

Presseportal Marburger Bund

Wie in Venezuela die nächste „humanitäre“ Intervention konstruiert wird

20. Februar 2019 – 13:19 | Andrej Hunko | Meinungsstark | 12 Kommentare

By kremlin.ru, licensed under CC BY-SA 4.0 (Maduro), by Michael Vadon, Wikimedia Commons, licensed under CC BY-SA 4.0, Mash-up by Jakob Reimann, JusticeNow!.

Wieder einmal wird die Öffentlichkeit mit Halbwahrheiten und Lügen auf eine Militärintervention vorbereitet

Ohne Zweifel befindet sich Venezuela in einer kritischen Lage. Die sich seit mehreren Jahren verschärfende Wirtschaftskrise hat enorme soziale Folgen und die politische Konfrontation ist zum Jahresbeginn auf ein nie dagewesenes Niveau eskaliert. Durch die offensichtlich aus den USA geplante und gesteuerte Inthronisierung des Parlamentspräsidenten Juan Guaidó zum „Übergangspräsidenten“ Venezuelas, ist der Konflikt brandgefährlich geworden.

Seit Wochen droht die Trump-Regierung offen und im klaren Widerspruch zum Völkerrecht mit einer militärischen Intervention, um Präsident Maduro aus dem Amt zu jagen. Die Bundesregierung hat durch ihre formale Anerkennung des Putschisten als Präsident ebenfalls das Völkerrecht verletzt und Öl ins Feuer gegossen. Die Möglichkeit eines bewaffneten Konfliktes ist real. Doch spätestens seit dem Ende der Blockkonfrontation werden Kriege nicht mehr ideologisch oder machtpolitisch begründet, sondern bedürfen einer „noblen“ Erzählung. Heute geht es vorgeblich um Freiheit, Menschenrechte und Demokratie.

Geradezu aus dem Lehrbuch einer solchen „humanitären“ Intervention scheint der aktuelle Umgang mit Venezuela. Das medial konstruierte Bild ist dabei einfach: Ein autoritärer Herrscher (Maduro) klammert sich an die Macht, lässt sein Volk verhungern und geht mit Gewalt gegen jene vor, die damit nicht einverstanden sind. Die gute „internationale Gemeinschaft“ solidarisiert sich mit dem Freiheitskämpfer Guaidó, der für die Wiederherstellung der Demokratie und humanitäre Hilfslieferungen kämpft.

Geopolitische und wirtschaftliche Beweggründe für diesen Eingriff in die Souveränität Venezuelas werden weitgehend abgetan, denn man muss ja den leidenden Menschen helfen. Dass man mit den in Venezuela angelegten Kriterien auch Interventionen in dutzenden anderen Ländern rechtfertigen könnte, spielt dabei keine Rolle.

Das geflügelte Wort von der Wahrheit als erstem Opfer des Krieges, trifft einmal mehr zu. Denn mit enormem Aufwand ist in den letzten Wochen daran gearbeitet worden, in der Öffentlichkeit eine Akzeptanz für eine mögliche Intervention zu schaffen. Mithilfe von Militärflugzeugen bringen die USA Hilfsgüter an die kolumbianisch-venezolanische Grenze und drohen damit, diese notfalls mit Waffengewalt ins Land zu bringen. Dass selbst Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz und die UNO die Aktion als politisch motiviert kritisieren und ablehnen, von „humanitärer“ Hilfe zu sprechen[1], spricht Bände. Doch scheint es medial kaum durchzudringen.

Humanitäre Hilfe

Vor allem wird dabei aber das Bild vermittelt, als hinge das Überleben der venezolanischen Bevölkerung von diesen Lieferungen ab. Das ist unter verschiedenen Aspekten falsch oder zumindest zweifelhaft.

Zunächst einmal ist die Grundannahme umstritten, ob sich Venezuela in einer „humanitären Krise“ befindet und Hilfslieferungen benötigt. Diese haben üblicherweise ihre Berechtigung, wenn der jeweilige Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, die eigene Bevölkerung in Notlagen zu versorgen. Insbesondere durch die Hyperinflation seit Ende 2017 ist die Kaufkraft großer Teile der Bevölkerung eingebrochen. Zwar wurde der Mindestlohn immer wieder nach oben angepasst, konnte aber kaum mit den steigenden Preisen mithalten. Dadurch ist es für diejenigen in Venezuela, die von Einkommen in der Landeswährung abhängen, immer schwerer geworden, ihren Grundbedarf zu decken. Auch im Gesundheitswesen hat die Krise dramatische Folgen gehabt. Medikamente und medizinisches Material sind seit mehreren Jahren knapp.

Die Regierung Maduro hat sich dennoch bislang geweigert, von einer humanitären Krise zu sprechen. Nichtsdestotrotz trifft es nicht zu, dass sie keine Hilfe aus dem Ausland akzeptiert habe. So kooperiert die Regierung durchaus mit Stellen der UNO. Beispielsweise hat die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (PAHO) im Januar drei Millionen antiretrovirale Tabletten für HIV-Infizierte[2] und Medikamente für Krebs- und Parkinsonpatienten[3] nach Venezuela gebracht. Anderen Medienberichten zufolge, hat die UNO in Venezuela Hilfen für 100.000 Kinder und Frauen verteilt.[4] Dies mag man als nicht ausreichend kritisieren, aber es widerlegt die häufig wiederholte Aussage, Maduro lasse keine Hilfe ins Land.

US-Sanktionen

Nicht zu Unrecht beklagt die venezolanische Regierung, dass die aktuelle Situation durch die Sanktionen der USA verschlimmert wurde. Denn seit August 2017 haben diese es staatlichen venezolanischen Stellen enorm erschwert, Güter zu importieren und internationale Zahlungen zu tätigen. Dazu gehören auch Medikamente, wie die Regierung wiederholt beklagt hat.

Auch die staatliche Erdölproduktion, die sich ohnehin durch mangelnde Investitionen und Korruption in einem schlechten Zustand befand, ist im Zuge der Sanktionen weiter eingebrochen. Dem Staat sind dadurch wichtige Einnahmen abhandengekommen. Vor diesem Hintergrund wirkt das im Januar verkündete Öl-Embargo und das Einfrieren von Milliarden-Werten wie der Versuch, der venezolanischen Wirtschaft und den staatlichen Strukturen den Todesstoß zu versetzen, um die Bevölkerung gegen die Regierung aufzubringen. Dies bedeutet nicht, dass die Sanktionen die einzige Ursache des Niedergangs der venezolanischen Wirtschaft sind. Dazu haben maßgeblich eine katastrophale Wirtschafts- und Währungspolitik der Regierung Maduro, der Verfall des Erdölpreises, Korruption sowie strukturelle Probleme der venezolanischen Wirtschaft beigetragen. Aber es mutet doch merkwürdig an, wenn die USA sich nun als Retter in einer Not anbieten, die sie selbst mit zu verantworten haben.

Hervorzuheben ist außerdem, dass die USAID-Hilfslieferungen quantitativ aufgebauscht werden. Denn es handelt sich bisher um Güter im Wert von etwa 20 Millionen US-Dollar. Selbst nach offiziellen Angaben[5] über die erste Lieferung könnten damit gerade einmal 10.000 Menschen für einige Wochen versorgt werden. Die Regierung in Caracas hingegen gibt an, im Rahmen des Programms „CLAP“ etwa sechs Millionen Familien regelmäßig mit stark subventionierten Grundnahrungsmitteln zu versorgen. Sie beklagt außerdem, dass durch die US-Sanktionen mehrere Milliarden US-Dollar im Finanzsystem blockiert wurden, die sie für wichtige Importe wie diese und für Medikamente benötige.

Konstruktion einer regionalen Krise

Ein anderer Aspekt, bei dem mit Halbwahrheiten daran gearbeitet wird, eine regionale Krise zu konstruieren, ist die Migration. Immer wenn es darum geht, dass Menschen aufgrund der Krise Venezuela verlassen haben, wird die Zahl drei Millionen genannt. Diese geht auf die UNO zurück. Auch bei der Sitzung des UN-Sicherheitsrates Ende Januar wurde Bezug auf diese Zahlen genommen. Unter anderem der deutsche Vertreter, Christoph Heusgen, argumentierte, dass es sich angesichts der hohen Zahl von Flüchtlingen nicht mehr um eine nationale, sondern um eine regionale Krise handelt. Indirekt bezog er sich damit auf die „Schutzverantwortung“ (Responsibility to Protect), die zunehmend zur Rechtfertigung von Interventionen bemüht wird.

Eine genauere Betrachtung zeigt allerdings, dass bei den Migrationszahlen einiges durcheinandergeworfen wird. Der Journalist Jonatan Pfeiffenberger hat sie sich genauer angesehen[6] und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Zahl von drei Millionen Krisenflüchtlingen aus Venezuela so nicht haltbar ist. Die einzige Quelle für die drei Millionen sei eine Auswertung von Facebook-Profilen, bei der alle Venezolaner im Ausland geschätzt werden, und zwar unabhängig davon wann und mit welcher Motivation sie das Land verlassen haben. Es ist auffällig, dass fast nirgends zwischen Arbeitsmigranten, Flüchtlingen und Asylsuchenden unterschieden wird. Schließlich ist es etwas völlig anderes, ob gut ausgebildete angehörige der Mittelschicht im Ausland bessere Berufschancen sehen und deshalb migrieren oder ob Menschen vor Hunger und Verfolgung fliehen.

Differenziertere Zahlen der UNO kommen hingegen auf knapp 400.000 Venezolaner/innen, die im Ausland Asyl beantragt haben und knapp eine Million, die sich Ende 2018 anderweitig legal im Ausland aufgehalten haben. Das ist zwar schon für sich genommen eine tragisch hohe Zahl und hinzu kommt eine Dunkelziffer. Aber es zeigt dennoch, dass die Zahlen manipulativ eingesetzt werden und exakt ins Narrativ zur Rechtfertigung einer Intervention passen.

Krieg als schlechteste Option

Die Auswirkungen der langanhaltenden Wirtschaftskrise in Venezuela sind verheerend und man sollte es tunlichst vermeiden, diese zu beschönigen. Angesichts der offensichtlichen Vorbereitung einer Intervention gilt es aber auch Übertreibungen und Falschdarstellungen entgegenzutreten. Man denke nur an den vermeintlichen Hufeisenplan, der den Kosovo-Krieg rechtfertigen sollte, oder die Massenvernichtungswaffen im Irak: Am Anfang von Kriegen stehen fast immer Lügen.

So schlimm man die Lage in Venezuela auch bewerten mag und egal wie kritisch man zur Regierung Maduro steht: Ein Krieg würde die Situation extrem verschlimmern und kein Problem lösen. Deshalb kommt es im Moment darauf an, mit aller Kraft einen solchen zu verhindern. Venezuela braucht keine Interventionen von außen, sondern eine friedliche und politische Lösung, die die Souveränität des Landes achtet. Die Vermittlungsversuche von Uruguay, Mexiko und den Caricom-Staaten im Rahmen des so genannten „Montevideo-Mechanismus“ bieten hierfür die beste Möglichkeit.


[1] https://venezuelanalysis.com/news/14316

[2] https://www.paho.org/ven/index.php?option=com_content&view=article&id=496:venezuela-recibio-3-millones-de-tabletas-de-antirretrovirales-mediante-el-plan-maestro&Itemid=0

[3] https://www.paho.org/ven/index.php?option=com_content&view=article&id=495:ops-entrego-al-ivss-medicamentos-para-la-atencion-de-tres-mil-pacientes-venezolanos&Itemid=0

[4] https://acento.com.do/2019/internacional/venezuela/8649839-onu-reclama-109-5-millones-dolares-ayudar-venezuela-solo-le-dan-49-1-millones/

[5] https://cnnespanol.cnn.com/2019/02/08/que-hay-en-las-cajas-de-ayuda-humanitaria-de-usaid-enviadas-a-venezuela/

[6] https://amerika21.de/2019/02/222195/un-venezuela-fluechtlinge-migranten