Ein weiteres Mal versuchen die US-Geheimdienste und das Außenministerium – was am Ende auf das gleiche herauskommt – eine verfassungsgemäße Regierung zu stürzen, um ihre wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen Geltung zu verschaffen. Und was sagt unsere Bundesregierung dazu?
Man kann es in dieser Kürze kaum besser zusammenfassen als dies der Autor Rainer Rupp auf KenFM getan hat. Sein Beitrag ist hier ungekürzt wiedergegeben.
Tagesdosis 8.2.2019 – Heuchelei. Die hohe Kunst der Berliner Republik
Ein Kommentar von Rainer Rupp.
Im
Fall Venezuela ist die tiefe Kluft zwischen den hehren moralischen
Ansprüchen der Spitzenvertreter der Berliner Republik und der schäbigen
Realität erneut wieder sehr deutlich geworden. So schwadroniert z.B.
unsere Kanzlerin immer wieder von der „regelbasierten internationalen Ordnung“.
Mit erhobenem Zeigefinger wirft sie gern anderen Staaten vor, dagegen
zu verstoßen. Aber hält sie sich selbst daran? Nicht die Bohne! Sie und
ihre Minister und Staatssekretäre und ihre schreibenden Hofschranzen
treiben Schindluder mit der „regelbasierten internationalen Ordnung“.
Hinter „regelbasierter internationaler Ordnung“
steht vor allen anderen die UNO als Regeln gebende Internationale
Ordnungsorganisation. Es dürfte niemanden geben, der im Vollbesitz
seiner Sinne bestreiten würde, dass die Vereinten Nationen (UNO) mit
ihrer Charta und ihren vielen Unterorganisationen das Dach bilden, unter
dem sich eine Vielzahl anderer, regelbasierter internationaler
Ordnungsorganisationen entwickelt haben – entweder in direkter oder in
indirekter Zusammenarbeit mit der UNO.
Die Frage, ob die Bundesregierung sich selbst an die von ihr so eindringlich beschworene „regelbasierte internationale Ordnung“
hält, lässt sich daher am leichtesten prüfen, wenn wir ihre
außenpolitischen Handlungen an den Regeln der UNO messen. Und da sieht
es nicht gut aus. Spätestens seit ihrer militärischen Beteiligung an dem
durch nichts provozierten Angriffskrieg gegen Jugoslawien, der sich
nächsten Monat zum zwanzigsten Mal jährt, hat sich die Bundesrepublik an
dem schlimmsten aller Verbrechen aktiv beteiligt. Es war das Nürnberger
Tribunal gegen die NAZI-Größen des Dritten Reichs, das den
Angriffskrieg als „Schlimmstes aller Verbrechen“ ächtete, weil ihm alle anderen schlimmen Verbrechen wie Mord, Totschlag, Folter, Vergewaltigung und Plünderung innewohnen.
Dieser
Logik des Nürnberger Tribunals folgend hat die kurze Zeit später
gegründete UNO die Verhinderung eines Krieges, insbesondere eines
Angriffskrieges zum Kern ihrer Charta, ihrer regelbasierten
internationalen Ordnung gemacht. Und diese Charta verbietet nicht nur
Kriege, die mit Bomben und Kanonen geführt werden, sondern explizit auch
Wirtschaftskriege, die mit ihren Embargos und Sanktionen mit
mittelalterlichen Städtebelagerungen vergleichbar sind, bei denen vor
allem die Bevölkerung ausgehungert wird. Aber auch Maßnahmen wie die
Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten mit dem Ziel,
diese zu destabilisieren, sind laut UNO-Charta verboten.
Hier ahnen wir schon, dass die Bundesregierung mit ihrer so oft von anderen vollmundig verlangten Einhaltung der „regelbasierten internationalen Ordnung“
nichts anderes als hinterhältige Heuchelei betreibt, indem sie diese
Ordnung selbst hintergeht. Aber machen wir doch ganz aktuell am Beispiel
Venezuelas die Probe aufs Exempel.
Die Anerkennung des selbsternannten venezolanischen „Interimspräsidenten“ Juan Guaidó durch westliche Staaten, darunter die Bundesrepublik, „ist
die Unterstützung eines Umsturzes und nach allen Regeln der UN-Charta
ein unerlaubter Eingriff in die Souveränität eines Staates“. Das erklärt der Völkerrechtler Norman Paech im Interview mit der Tageszeitung junge Welt am Mittwoch. Berlin habe sich damit „wieder auf die Schleimspur der US-Regierung begeben“, stellt er fest. (1)
„Man
spricht nicht mehr darüber, was doch eigentlich in den westlichen
Wertvorstellungen eine große Rolle spielen sollte: das Völkerrecht und
die Souveränität von Staaten.“ Bei den Vorgängen in Venezuela handele es sich um einen „vollkommen unzulässigen und rechtswidrigen Putsch“, der auch der Verfassung des Landes widerspreche, so der Hamburger Völkerrechtler.
In
dem Zusammenhang hat Tilo Gräser, ein deutscher Journalist bei Sputnik
auf die Homepage des Auswärtigen Amtes (AA) der Bundesrepublik
verwiesen, wo man lesen kann: „Die regelbasierte internationale Ordnung bildet einen Grundpfeiler deutscher Außenpolitik“. Das ist die Theorie und die deutsche Praxis ist das Gegenteil, wie die nachfolgenden Ausführungen des deutschen Graumaz (Grausigster Außenminister aller Zeiten) Heiko Maas deutlich machen.
Ende Januar sagte er im Bundestag zu Venezuela: „Demokratie,
Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit werden von Nicolás Maduro mit
Füßen getreten. Sein Regime, das sich zynischerweise auf Bolívar beruft,
hat Venezuela mittlerweile an den Abgrund geführt.“ Dem könne die
Bundesregierung nicht neutral gegenüber stehen, führte das NATO-Männchen
weiter aus, der den nicht vom venezolanischen Volk sondern von
Washington zum Präsidenten „gewählten“ Guaidó als demokratisch legitimiert anerkannte. „Gemeinsam mit der EU haben wir ihm deshalb unsere politische Unterstützung zugesichert, und dabei wird es auch bleiben.“
(Zum Glück haben die Italiener dem Heiko in seine verbrecherische Suppe
gespuckt und in der EU ein Veto gegen die Unterstützung Guaidos
eingelegt. Danke Italia!)
Der bereits erwähnte Völkerrechtler Paech kommentiert den hippen Heiko in der jungen Welt wie folgt: „Ich
wundere mich darüber, dass in der deutschen Presse nur sehr wenig
Kritik an dem Vorgehen, dem sich nun auch die Bundesregierung
angeschlossen hat, zu hören ist. Denken Sie nur daran, was im Fall der
Krim zu vernehmen war. Oder denken Sie daran, was derzeit als Satire
durchs Internet geistert: Russlands Präsident Wladimir Putin würde eine
selbsternannte Präsidentin Marine Le Pen in Frankreich anerkennen, vor
dem Hintergrund der Proteste der ‚Gelbwesten‘ und des Ausnahmezustandes,
den die französische Regierung unter Emmanuel Macron durch die großen
Polizeieinsätze zu verantworten hat.“
Zudem
betont Paech, dass es sich bei dem westlichen Vorgehen gegen Venezuela
um einen seit langer Zeit geplanten ‚Regime Change‘ handele, der in den
USA und in interessierten Kreisen verfolgt werde. „Das ist der
Rückfall in eine koloniale und imperiale Praxis: Regierungen werden dazu
aufgefordert, sich zu unterwerfen, wodurch sie letztlich in den
Vasallenstatus zurückkehren. Man muss sagen, dass wir es hier mit einer
absoluten diplomatischen Frechheit zu tun haben.“
Offensichtlich
haben die Bundeskanzlerin, ihre Regierungsvertreter und die Führung der
CDU/CSU/SPD nicht die Charta der Vereinten Nationen im Sinn, wenn sie
die „regelbasierte internationale Ordnung“ von anderen Staaten
einfordern. Dafür aber passt die Verhaltensweise der Bundesregierung auf
ein gänzlich anderes Ordnungsmuster. Wenn wir nämlich die oft
beschworene „liberale Ordnung“ oder „liberale Weltordnung“ zu Grunde legen, ein Begriff der von Merkel oft als Synonym zur „regelbasierten internationalen Ordnung“
gebraucht wird, dann besteht kein Widerspruch mehr zwischen Theorie und
Praxis der deutschen und EU-Außenpolitik. Dies möchte ich beispielhaft
an der Person Robert Cooper und seinem verhängnisvollen Wirken in der
EU-Sicherheitspolitik darstellen und mit einem Zitat beginnen:
“Wir
brauchen eine neue Art von Imperialismus, einen Imperialismus, der mit
den Menschenrechten und den kosmopolitischen Werten kompatibel ist: ein
Imperialismus, der sich zum Ziel setzt, Ordnung und Organisation zu
bringen.“
Diese Aussage stammt
von Robert Cooper als er noch außenpolitischer Chef-Ideologe des
damaligen britischen Labour Premierministers Tony Blair war. Später ging
er zur EU nach Brüssel, zuerst als Kabinettschef von Xavier Solana, dem
ehemalige NATO-Generalsekretär, der zu dieser Zeit den Posten des Chefs
der Abteilung „Sicherheit und Verteidigung“ der Europäischen
Union innehatte. Solana, ein Mitglied der sozialistischen Partei
Spaniens, hatte 1999 als NATO-Chef den Befehl zum Angriff gegen
Jugoslawien gegeben. Es dauerte nicht lange, da wurde Cooper zum “Generaldirektor für Äußere und Politisch-Militärische Angelegenheiten”
im Generalsekretariat des EU-Rats, in dem sich die Minister und
Staatschefs regelmäßig trafen. In dieser Rolle, so kann man bei
Wikipedia.org nachlesen, habe die Philosophie der „Entwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik maßgeblich geprägt“.
Im Klartext bedeutet das, dass er in der EU und ihren Mitgliedsländern
die ideologischen Weichen in Richtung neokonservativer
Militärinterventionen gestellt hat.
In seinen Schriften und Reden hat Cooper zwischen zwei Arten des “neuen Imperialismus“ unterschieden: Da wäre zunächst der „freiwillige Imperialismus“. Hier spielen die angeblich „demokratischen Institutionen“ der westlichen Welt, wie der „Internationale Währungsfonds“ (IWF) oder die „Weltbank“ die entscheidende Rolle. Laut Cooper bringen diese Institutionen „all jenen Staaten Hilfe, die freiwillig ihren Weg zurück in die globale Wirtschaft finden wollen”.
Das heißt im Klartext, dass alle Staaten, die bereit sind, sich zu
beugen und sich ihre wirtschaftliche-, soziale und gesellschaftliche
Ordnung von der neo-liberalen, der “Gewinner nimmt alles-Ideologie” der „demokratischen” Institutionen IWF und Weltbank vorschreiben lassen, keine Angst vor „humanitären“
EU-Bombardements zu haben brauchen. Auch alle Staaten, die bereit sind,
sich zur verlängerten Werkbank der kapitalistischen Metropolen machen
zu lassen, können dann in Sicherheit schlafen gehen.
Allen
anderen Staaten, die sich nicht freiwillig der neuen, weltoffenen,
liberalen Weltordnung unterwerfen wollen, droht Cooper mit dem „gut nachbarschaftlichen Imperialismus“, d.h. dass „verantwortliche“
Staaten – wie die USA oder Frankreich, Großbritannien oder Deutschland –
zuerst wirtschaftliche und politische Zwangsmaßnahmen verhängen und
wenn die nichts nützen, militärisch intervenieren, um Instabilitäten im
globalen Dorf zu verhindern.
Als leuchtendes Beispiel für den „gut nachbarschaftlichen Imperialismus“ verweist Cooper auf die erfolgreiche „humanitäre Intervention“ der NATO im Kosovo. Das dort errichtete NATO-Protektorat zeige wie kein anderes Beispiel, wie gut „der neue Kolonialismus(!) Ordnung und Organisation“ bringen kann.
In seinem Buch von 2002 „The Post-Modern State“ entwickelt Cooper die EU-Doktrin des „neuen, liberalen Imperialismus” weiter, wobei er u.a. schreibt, dass “die
große Herausforderung in der postmodernen Welt darin besteht, sich (im
Umgang mit sogenannten Problemstaaten) an die Notwendigkeit von
doppelten Standards zu gewöhnen“. Deshalb empfiehlt Cooper seinen neuen EU- Imperialisten, im Umgang mit Ländern, die nicht zur EU und dem „Westen“
gehören, mit zweierlei Maß zu messen, also Wasser zu predigen und Wein
zu trinken. Die Scheinheiligkeit, bzw. Doppelbödigkeit wird hier zum
wesentlichen Bestandteil der EU-Staatsdoktrin erhoben. Der Bezug zur
aktuellen Politik ist nicht zu übersehen.
In einem weiteren Buch Coopers wird noch deutlicher, worum es geht. Das deutet schon der Titel an: „The Breaking of Nations“ (zu Deutsch: „Wie man Nationen gefügig macht“). Dort rät er:
„Untereinander
sollten die Europäer auf der Grundlage des Rechts und gemeinsamer
Sicherheit operieren. Aber außerhalb Europas sollten sie die raueren
Methoden früherer Zeiten anwenden – Gewalt, Präventivschläge, Hinterlist
und was sonst noch alles nötig ist. Denn wenn wir im Dschungel sind,
dann müssen wir auch die Gesetze des Dschungels anwenden«. (“In the jungle, one must use the laws of the jungle.”)
Und
hier hat Cooper offensichtlich die Auflösung des Rätsels der
Verhaltensweisen der Bundesregierung geliefert: Wie man nämlich von
anderen Staaten fordern kann, sich an eine „regelbasierte internationale (liberale) Ordnung“
zu halten und selbst andere Länder (die sich nicht daran halten) mit
Kriegen zu überziehen, zu morden und zu plündern, zu lügen und zu
betrügen.
Bis 2014 war der damals
68-jährige Cooper in hochrangigen Funktionen in den Brüsseler Korridoren
unterwegs, u.a. als Berater von Lady Catherine Ashton, der Nachfolgerin
von Solana. Von Nachrichtenmagazinen wie „Prospect“ war er 2005 sogar in den Kreis der 100 bedeutendsten Intellektuellen der Welt aufgenommen worden. Cooper wurde “für seine Verdienste für Internationalen Frieden und Sicherheit“ von EU-Staaten mit Orden überhäuft und 2013 von der Queen zum Ritter geschlagen.
Ich
bin auch deshalb bei Robert Cooper so sehr ins Detail gegangen, weil
sich an seiner Person sehr gut nachweisen lässt, dass ein Mensch mit
derart gemein-gefährlichen Wahnideen in der heutigen Welt nicht als
verrückter Außenseiter weggesperrt, sondern als herausragender
Intellektueller und richtungsweisender Sicherheitspolitiker geehrt wird.
Wenn man gutmeinenden aber politisch naiven Friedensaktivisten diese
Cooper-Geschichte erzählt, dann winken sie ab und murmeln „Verschwörungstheorie“.
Die
Verschwörung aber findet statt in den Kreisen der so genannten
politischen Eliten. Die sprechen zwar von nichts anderem als vom Wohl
des Volkes, in Wirklichkeit sind sie das Exekutivorgan knallharter
Kapitalinteressen, für die sie auch über Leichenberge gehen, siehe
Jugoslawien, Irak, Libyen, Syrien, Ukraine und womöglich schon bald in
Venezuela.