Wahlen in Russland

Wiederholt der Westen bei den russischen Parlamentswahlen das Szenario von Venezuela und Weißrussland?

von Anti-Spiegel

19. Mai 2021 21:09 Uhr

Die EU diskutiert, wie sie mit den Parlamentswahlen umgehen will, die im September in Russland anstehen. Das EU-Parlament hat dazu nun einen Bericht vorgelegt, den man als regelrechte Kriegserklärung an die russische Regierung auffassen muss.

von Anti-Spiegel, 19. Mai 2021 21:09 Uhr

Der Westen entscheidet selbst, welche Wahlen in welchem Land „demokratisch“ waren und welche nicht. Wenn dem Westen ein Wahlergebnis nicht gefällt, wird die Wahl als gefälscht bezeichnet und es wird versucht, einen Putsch zu organisieren. Das Szenario ist inzwischen bekannt und erprobt.

Das erprobte Szenario

In den letzten Jahren hat der Westen dieses Szenario in mindestens drei Ländern angewendet. In Venezuela hat der Westen Wahlen nicht anerkannt und kurzerhand einen eigenen Kandidaten zum Übergangspräsidenten erklärt. Der Putschist Guaido hat aber keine Machtübernahme hinbekommen und bei den letzten Wahlen krachend verloren, weil in dem Land seine Korruption und seine Kontakte zur kolumbianischen Drogenmafia allgemein bekannt sind. Aber das stört der Westen nicht, der Guaido weiterhin unterstützt.

Und auch in Bolivien hat der Westen dieses Spiel gespielt und von Wahlfälschung gesprochen. In Bolivien war der Westen erfolgreicher, denn es gelang ihm, den gewählten Präsidenten Morales wegzuputschen, aber die pro-westliche Übergangsregierung hat die Neuwahlen dann ebenfalls krachend verloren. Dass die westlichen Vorwürfe der Wahlfälschung frei erfunden und sogar vom Westen selbst konstruiert worden sind, sei nur am Rande erwähnt, Sie können das hier im Detail nachlesen.

In Weißrussland war es im letzten Jahr das gleiche. Dem Präsidenten wurde Wahlfälschung vorgeworfen, der Westen erkennt Lukaschenko nicht mehr als Präsidenten an und unterstützt die – selbst nach Angaben ihrer Gegner – bei der Wahl unterlegene Svetlana Tichanovskaja, die Details habe ich hier zusammengestellt.

Der Westen geht dabei sehr konsequent vor, denn er hat die Einladungen von Weißrussland und Venezuela, Wahlbeobachter zu entsenden, abgelehnt. Man scheint im Westen zu befürchten, dass die Wahlen fair sind und die Wahlbeobachter keine Unregelmäßigkeiten finden. Also schickt man eben keine Beobachter, und behauptet nach der Wahl ohne jeglichen Beweis, die Wahlen wären gefälscht.

Parlamentswahlen in Russland

Der aktuelle Bericht des EU-Parlaments zeigt, dass wir ein solches Szenario auch für die im September anstehenden Parlamentswahlen in Russland erwarten dürfen. In Russland ist immer im September „Nationaler Wahltag“ und an dem Tag finden alle in dem Land in einem Jahr anstehenden Wahlen statt. Es hat bereits Tradition, dass westliche Politiker und Medien zu diesem Anlass jeden Sommer einen Skandal erschaffen, der in Russland für Unruhe und Proteste unmittelbar vor den Wahlen sorgen soll, wie ich hier aufgezeigt habe.

Die westlichen Medien thematisieren nicht, dass das Tradition hat und jedes Jahr von neuem Passiert. Stattdessen sollen deren Leser glauben, dass die russische Regierung so doof ist, jedes Jahr im August irgendeine Bösartigkeit zu begehen, die im Land für Unruhe und Unzufriedenheit sorgt. Dabei will jede Regierung der Welt, dass es vor Wahlen im Land ruhig ist, weil Unruhe nur Regierungsgegnern und vor allem Extremisten in die Karten spielt.

Da landesweite Parlamentswahlen natürlich einen wesentlich höheren Stellenwert haben, als ein paar regionale Wahlen, wird in Russland erwartet (und in den Medien schon lange thematisiert), dass der Westen alles tun wird, sich in die Wahlen im September einzumischen. Vor allem die westlichen Internetkonzerne stehen dabei unter genauer Beobachtung, wie der aktuelle Streit Russlands mit Twitter gezeigt hat. Allerdings scheint Twitter für´s erste klein beigegeben zu haben, um eine schon angedrohte Sperrung in Russland zu verhindern, die Details finden Sie hier.

Die Vorwürfe des EU-Parlaments

Das EU-Parlament hat nun den Bericht mit Empfehlungen für den Umgang mit Russland veröffentlicht. Der Bericht beginnt mit einer Reihe von Vorwürfen gegen Russland, die wir uns anschauen wollen.

Im ersten Punkt werden Russland aggressives Verhalten an der Grenze zur Ukraine, Terroranschläge in der EU, zum Beispiel in Tschechien, und die Unterstützung des „illegitimen Regimes von Alexander Lukaschenko“ vorgeworfen. Im zweiten Punkt wird Putin eine „systematische Repression demokratischer Kräfte“ vorgeworfen, weil angeblich – so der Bericht – seit Januar 15.000 Menschen bei Demonstrationen verhaftet worden seien. Das ist glatt gelogen, denn was da als Verhaftungen bezeichnet wird, waren keine. Es handelte sich um Ordnungswidrigkeiten und die festgenommenen Demonstranten durften nach Feststellung der Personalien mit einem Bußgeldbescheid wieder nach Hause gehen.

Im dritten Punkt spricht der Bericht davon, dass die Entwicklungen bedeuten, dass Putin „in der gleichen Weise wie Lukaschenko in Weißrussland einen Krieg gegen das russische Volk führt.“

Im nächsten Punkt wird es dann lächerlich, weil die EU von Russland die Einhaltung des Völkerrechts fordert, dabei verstößt schon dieser EU-Bericht gegen das Völkerrecht, denn im Völkerrecht gilt das Verbot, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen und genau das ist es, was dieser Bericht explizit fordert: Eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands.

Danach wiederholen sich die Aussagen, aber es wird in mehreren Punkten gefordert, „Russland bei der Transformation in eine Demokratie zu unterstützen.“ Das ist die freundliche Umschreibung für „Regimechange“, aber würde irgendein hoher Vertreter der EU offen zugeben, dass die EU Regimechanges unterstützt? Natürlich nicht!

Die Forderungen des EU-Parlaments

Danach stellt der Bericht konkrete Forderungen:

  • Die EU soll zusammen mit der Nato Druck auf Russland ausüben, sich nicht in die Angelegenheiten seiner Nachbarn einzumischen
  • Die EU soll bereit sein, Russland vom SWIFT abzukoppeln
  • Die EU soll die Abhängigkeit vom russischen Öl und Gas reduzieren, „zumindest solange Präsident Putin an der Macht ist.“ An anderer Stelle wird auch explizit ein Stopp für Nord Stream 2 gefordert.

Danach geht es in dem Bericht explizit noch einmal darum, Russlands Rolle in Osteuropa und in Russlands Nachbarschaft zu schwächen. Und es geht um ganz viele neue Sanktionen, die möglichst als Automatismus eingeführt werden sollen. Offensichtlich befürchtet man im EU-Parlament, dass Sanktionen von einzelnen EU-Staaten abgelehnt werden könnten, weshalb man einen Automatismus fordert.

Am bemerkenswertesten ist folgender Punkt:

„die EU sollte bei ihrer Sanktionspolitik Partnerschaften mit in der EU ansässigen Nichtregierungsorganisationen wie Bellingcat eingehen, damit diese Organisationen sie bei der Vorbereitung und Untersuchung von Fällen umfassend unterstützen können;“

Das ist Realsatire! Ich will hier nicht im Detail auf Bellingcat eingehen, das würde den Rahmen sprengen, aber diese Organisation ist nichts weiter als ein Propaganda-Instrument westlicher Geheimdienste. Wer Bellingcat nicht kennt, dem empfehle ich diesen Artikel mit allen Details und diesen Artikel, der aufzeigt, wie Bellingcat medial unterstützt wird.

Übrigens ist Bellingcat nicht „in der EU ansässig.“ Bellingcat kommt aus Großbritannien, hat aber seit kurzem ein Büro in Den Haag, das von der niederländischen Regierung über den Umweg über die niederländische Postlotterie finanziert wird, die Details finden Sie hier. Von einer Nicht-Regierungsorganisation kann bei Bellingcat keine Rede sein, die Organisation wird zum größten Teil von westlichen Regierungen bezahlt und liefert, was diese haben wollen.

Wie die EU die Russen beeinflussen will

Außerdem fordert der EU-Bericht die Eröffnung eines russisch-sprachigen Fernsehsenders, der die EU-Propaganda rund um die Uhr auf Russisch verbreiten soll. Was das bringen soll, erschließt sich nicht, denn es gibt bereits reichlich derartiger Propaganda-Sender auf Russisch, zum Beispiel von der BBC. Hinzu kommt, dass Fernsehen ohnehin an Bedeutung verliert und im Internet sind Kritiker der russischen Regierung – nicht zuletzt dank YouTube – reichlich vertreten. Wenn es in Russland eines nicht gibt, dann ist es ein Mangel an Kreml-kritischen Medien, es gibt mit Echo Moskvy sogar einen populären Radiosender, der russlandweit sendet und den ganzen Tag lang auf Putin, die Regierung und den Kreml eindrischt. Aber wahrscheinlich weiß man das im EU-Parlament gar nicht.

Ein Punkt, der früher in Russland Wirkung gezeigt hätte, kommt fast zum Schluss. Dort wird gefordert, klare Perspektiven für die Zusammenarbeit mit einem zukünftigen „demokratischen Russland“ aufzuzeigen, zum Beispiel Erleichterungen bei den Visa, die Russen brauchen, wenn sie in die EU reisen wollen. Das hätte früher viele Russen angesprochen, aber inzwischen gibt es das abschreckende Beispiel Ukraine, wo die Leute unter anderem wegen diesem Versprechen auf den Maidan marschiert sind.

Danach mussten sie aber noch viele Jahre warten, bis die Visa-Erleichterungen tatsächlich kamen und in diesen Jahren ist die Ukraine unter den Maidan-Regierungen so derartig verarmt, dass Reisen zu einem Luxus geworden ist. Hinzu kommt, dass Visa-Erleichterungen in Zukunft ohnehin keine große Rolle mehr spielen werden, wenn die EU Impfungen mit russischen Impfstoffen nicht anerkennt. Viele Russen – das weiß ich aus meinem eigenen Bekanntenkreis – verzichten in Zukunft lieber auf Reisen nach Europa, wenn sie sich dafür Pfizer spritzen lassen müssten.

Einmischung in die russische Parlamentswahl

Nun kommt das, worauf ich am Anfang dieses Artikels hingewiesen habe. In dem Bericht wird gefordert:

„die EU muss bereit sein, das Parlament Russlands nicht anzuerkennen und den Ausschluss Russlands aus internationalen Organisationen mit parlamentarischen Versammlungen zu fordern, wenn die Parlamentswahlen 2021 in Russland als gefälscht anerkannt werden;“

Nun können wir Wetten darauf abschließen, ob sich die OSZE – wie im Falle Weißrusslands – mit ihrer Mehrheit der westlichen Staaten weigern wird, Wahlbeobachter nach Russland zu schicken. Bei den russischen Wahlen der letzten Jahre hatte die OSZE nicht mehr zu meckern, als bei Wahlen in westlichen Staaten. Wenn man in Brüssel aber will, dass die Wahlen als „gefälscht anerkannt“ werden, dürfen die OSZE-Wahlbeobachter nicht nach Russland reisen und danach die Wahl als fair und demokratisch absegnen.

Und Russland aus parlamentarischen Versammlungen auszuschließen, wie gefordert wird, würde bedeuten, Russland zumindest aus dem Europarat auszuschließen, was wiederum bedeuten würde, dass dann der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht mehr für Russland zuständig wäre. Ob man das in Brüssel wirklich will, ist fraglich, schließlich kann man diesen Gerichtshof bei Bedarf als Instrument gegen Russland nutzen. Das Instrument dürfte der Westen nicht aus der Hand geben wollen.

Nach diesem EU-Bericht ist es nicht schwer zu erraten, was uns in diesem Sommer erwartet. Und das Verhältnis zwischen der EU und Russland dürfte sich weiter verschlechtern.

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